Der Luzerner Benedikt Koller studiert jetzt in Zürich und wohnt in Basel. Hier ist er am Rhein (Bild: Raphael Gutzwiller).

Der Denker kämpft jetzt in der Halle

Benedikt Koller galt als grosses Talent beim FC Luzern. Dann trat er vom Profifussball zurück. Auch, weil er den Profifussball als zu primitiv empfand. Nun spielt der 25-Jährige Hallenfussball.

Er hat das erreicht, wovon viele Buben träumen. Aber er wollte es nicht. Am 16. Mai 2010 gibt der damals 20-jährige Benedikt Koller sein Profi-Debüt für den FC Luzern: Es läuft die 79. Spielminute, als er für Nelson Ferreira eingewechselt wird, mit ihm abklatscht und auf das Feld sprintet. 6300 Zuschauer sehen im Letzigrund den 1:0-Auswärtssieg des FCL bei den Grasshoppers. «Es ist auch heute noch ein schönes Gefühl, daran zurückzudenken. Ich war aber sehr nervös und hatte grossen Respekt vor dieser Aufgabe.» Koller sagt, er staune manchmal, wenn er heute den jungen Super-League-Debütanten zuschaue. «Die sind oft schon sehr abgeklärt. Ich glaube nicht, dass das bei mir auch so war.»

Ein Jahr lang war Benedikt Koller Profifussballer beim FC Luzern, bevor er im Sommer 2011 trotz laufendem Vertrag zurücktrat. Danach sagte er gegenüber den Medien: «Ich fühlte mich unwohl im Fussball-Business. Es war oft einfältig, scheinheilig und primitiv.»

Studiert Philosophie

Heute führt Koller ein «ganz gewöhnliches Leben», wie er sagt. Lebt in Kleinbasel in einer Wohngemeinschaft, an den Rhein hat man zu Fuss etwa zehn Minuten. Das Wohnzimmer der WG ist fast leer. Ein Mitbewohner ist ausgezogen und mit ihm auch einige Möbel, darunter der Esstisch. Koller studiert in Zürich Philosophie und Germanistik und arbeitet daneben bei der «Neuen Zürcher Zeitung» auf der Redaktion. Er wollte mal eine andere Stadt kennen lernen, begründet er seinen Umzug von Zürich nach Basel. In seinem Zimmer fällt ein grosses Bücherregal auf: Koller ist eine Leseratte. Ein Lieblingsbuch hat er nicht. Momentan liest er «Atemschaukel» von Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller. Und pro Tag liest er zwei bis drei Stunden Zeitungen. «Manchmal ist das schon fast zwanghaft», sagt er.

Dabei gibt es den Fussballer Benedikt Koller noch immer, heute aber in der Halle. Und er ist auch dort ein ähnlicher Spieler, wie er es schon auf dem Rasen war. «Auf dem Platz bin ich eine Furie, die dafür kämpft, zu gewinnen», sagt er. Gemeinsam mit Freunden gründete Koller im Sommer 2012 den Futsalclub Luzern. Futsal ist ein technisches und schnelles Spiel. Dabei treten vier Feldspieler plus Torhüter gegeneinander in der Halle an, das Spiel dauert zweimal 20 Minuten.

In der ersten Saison war Koller Spielertrainer. «Es ist aber nicht mein Projekt», sagt er. Der Futsalclub ist in der letzten Saison in die Nationalliga A, die zweithöchste Schweizer Liga, aufgestiegen – ohne Koller, der sich das Kreuzband, Innenband und den Meniskus gerissen hatte. Inzwischen kann er wieder schmerzfrei spielen. Im ersten Spiel der Saison schoss er das allererste Tor für den Futsalclub Luzern in der Nationalliga A. Es war der Anschlusstreffer zum 1:3 gegen Wohlen und Startschuss für die Aufholjagd. Luzern gewann schliesslich mit 6:3. Koller sah eine Minute vor Schluss die gelb-rote Karte. «Ich möchte eigentlich als Vorbild vorangehen. Das gelingt mir aber noch nicht immer. Manchmal habe ich meine Emotionen nicht im Griff.»

Zweifelt an seinen Entscheidungen

Koller ist ein grosser Zweifler. Hinterfragt seine Entscheide oft. Natürlich auch den gewichtigen Entscheid, den er im Sommer 2011 getroffen hat. «Manchmal denke ich schon, was gewesen wäre, wenn ich mich anders entschieden hätte.» Das denkt er besonders dann, wenn er seinen ehemaligen Teamkollegen von den Stehplätzen der Swissporarena zuschaut. Pro Halbsaison ist das drei bis vier Mal der Fall.

Wenn Benedikt Koller auf eine Frage antwortet, sind seine Wörter überlegt und seine Sätze durchdacht. Manchmal hält er kurz inne, bis er die richtige Antwort beisammen hat. An das Klischee eines Fussballers erinnern seine Aussagen nicht: Er ist mehr Philosophiestudent als Sportler. Auf die Frage, ob er zu wenig ehrgeizig ist, wird er nachdenklich. «Ehrgeiz ist unter Umständen etwas, das auch von aussen an eine Person herangetragen wird. Daher glaube ich nicht, dass ich in diesem konventionellen Sinn ehrgeizig bin. Aber ich bin anspruchsvoll, und wenn mich etwas interessiert, vertiefe ich mich darin voller Leidenschaft.»

Und diese Leidenschaft hat er als Profi beim FCL verloren. Der zentrale Mittelfeldspieler konnte sich in den Trainings nicht aufdrängen und kam nur zu zwei Super-League-Einsätzen. Dabei hatte man Koller, der in Buochs und in der Stadt Luzern aufgewachsen ist, den Durchbruch zugetraut. Sein damaliger Trainer, Rolf Fringer, attestiert Koller «einen guten linken Fuss und ein gewisses Talent». Doch: «Vom Kopf her war er nicht frei, alles dem Fussball unterzuordnen. Das Niveau und die Trainingsintensität in der Super League lassen aber keine Halbheiten zu.»

Will nicht wieder auf den Rasen

Der fussballerische Alltag von Koller findet heute nicht in der Swissporarena, sondern in der Turnhalle statt. Am Freitagabend ist Training, am Sonntag Match. Koller spielt Futsal, weil er seine Freude am Fussball behalten möchte.

Auf den Rasen will er nicht zurück. Dies, obwohl er für das FCL-U-21-Team in der 1. Liga gute Leistungen gezeigt hatte. «Auch in den unteren Ligen ist eine grosse Verbissenheit vorhanden. Anders beim Futsalclub Luzern: Da denkt keiner, er könne Profi werden», so Koller. Aber sogar dort wird nach dem Aufstieg vieles professioneller und bürokratisierter. «Wir machen mehr Teamevents und organisieren ein Trainingslager. Eigentlich mag ich solche Anlässe nicht besonders.» Zwar möge er seine Teamkollegen gut, aber: «Ich gehe dorthin, weil ich Fussball spielen möchte, und suche dort keine zweite Familie.»

Fussball spielt er mit seinem Futsalclub Luzern momentan sehr erfolgreich. Aus den ersten drei Spielen resultieren sieben Punkte, zusammen mit Salines Futsal aus Rheinfelden führt man die Tabelle der Gruppe in der NLA an – dabei liegt vielleicht sogar der Aufstieg in die höchste Schweizer Liga drin. Auch dank Benedikt Koller: Er hat bei zwei Einsätzen schon drei Tore erzielt.

 

Text publiziert in der Neuen Luzerner Zeitung am 22. Dezember 2015. 

Ausserdem erschienen auf Regiofussball.ch 

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