Kategorie: Front

Frauenfussball zwischen prächtiger Kulisse im Cupfinal und tristem Alltag in der Liga

Beim 4:1-Sieg des FC Zürich gegen die Grasshoppers im Schweizer Cupfinal sorgen fast 8000 Fans für Stimmung. Im Ligaalltag herrscht aber Tristesse.

Wieder ein Rekord. Als der Stadionspeaker die Zuschauerzahl bekanntgibt, entbrennt Applaus: 7916 Personen sind in den Letzigrund gekommen. So viele wie noch nie beim Frauen-Cupfinal. Die FCZ-Fans, für einmal nicht in der Südkurve, sondern auf der Gegentribüne, besingen ihren Letzigrund. Einige Minuten später ist dort die Stimmung ekstatisch: Die FCZ-Spielerinnen feiern vor ihren Fans. Soeben sind sie mit einem überzeugenden 4:1-Erfolg im Stadtderby gegen GC zum 15. Mal Cupsiegerinnen geworden.

Die vorangegangene Partie war beste Werbung für den Schweizer Frauenfussball. Zum einen, weil der FCZ eine starke Partie zeigte und sich GC trotzdem zunächst zurückkämpfte. Zum anderen aber auch, weil die spektakuläre Partie einmal mehr bewies, dass Frauenfussball Zuschauermassen begeistern kann.

Mitte Monat spielte das Nationalteam in Thun gegen Italien vor 6281 Personen, im letzten November empfing Servette in der Champions League Chelsea vor 12’782 Fans. Und international knackt Barcelona alle Rekorde. Zum Champions-League-Halbfinal gegen Wolfsburg kamen 91’648 Menschen.

Der Männerfussball dominiert in den Klubs
Auf den ersten Blick boomt der Frauenfussball also. Auf den zweiten wird aber deutlich, dass noch immer einiges nicht funktioniert. Als zwei Wochen zuvor das Zürcher Derby in der Frauen-Super-League steigt, ist die Kulisse des Cupfinals weit weg.

Auf dem Campus dürfen die GC-Frauen nicht auf dem Hauptplatz mit Tribüne spielen, sondern lediglich auf einem Kunstrasen-Nebenplatz. Beim ersten GC-Derbysieg seit elf Jahren sind nur 250 Personen dabei. Solche Beispiele gibt es fast an jedem Ligastandort. Die Zuschauerzahlen liegen überall unter 1000. In Yverdon kamen zuletzt nur 50 Personen, in St. Gallen 80.

«Ich bin überzeugt davon, dass der Austragungsort und die Atmosphäre eine grosse Rolle spielen, wie viele Zuschauerinnen und Zuschauer kommen», sagt Meriame Terchoun. Die Nationalspielerin vom FC Zürich stellt aber fest: «Leider ist das Frauenteam innerhalb der Vereine nicht genug wichtig. Insgesamt tut sich noch viel zu wenig.»

Der FCZ spielt im Heerenschürli, wo es eine Tribüne gibt. Jedoch ist diese nicht überdacht: «Wenn es regnet, haben wir kaum Zuschauer», so Terchoun. Beim Cupfinal im Letzigrund regnete es in Strömen.

Eine, die für Veränderung im Frauenfussball steht, ist Tatjana Haenni. Die Direktorin Frauenfussball beim SFV meint kritisch: «Viele gute Schritte wurden eingeleitet. Leider fehlt es aber noch immer an einigen Dingen. Der Verband ist historisch gewachsen strukturell auf den Männerfussball ausgelegt.»

Als Beispiel nennt sie den Zentralvorstand des SFV. Darin vertreten sind die Swiss Football League, die Erste Liga und die Amateurliga. Diese Abteilungen haben den Fokus auf dem Männerfussball, der Frauenfussball ist aber irgendwie mitgemeint. «Die Medien und die Öffentlichkeit, mehr und mehr auch die Wirtschaft, haben realisiert, dass der Frauenfussball interessant sein kann. Aber innerhalb des Fussballs fehlt vielerorts das ernst gemeinte Interesse», sagt Haenni.

«Das höchste Zuschauerpotenzial»
Häufig werde der Frauenfussball nebenbei behandelt. «Die Frauen-Super-League hat nach der Männer-Super-League das höchste Zuschauerpotenzial – höher auch als die Challenge League. Dafür muss aber etwas getan werden», so Haenni. Terchoun findet, auch die Spielerinnen sollten aktiver werden. «Viele sind Influencerinnen, nutzen dies aber zu wenig. Wir müssen dafür sorgen, dass der Frauenfussball wächst.»

In den Minuten nach dem Cupfinal, den selbst die GC-Spielerinnen als aussergewöhnlich beschrieben, beschäftigt man sich aber nicht mit solchen Gedanken. Doppeltorschützin Fabienne Humm strahlt und sagt: «Es ist einfach aussergewöhnlich gewesen, vor diesen Fans zu feiern. Für uns ist ein Traum wahr geworden.» Doch das soll erst ein Anfang sein.

Publiziert in den CH-Media-Zeitungen am 3. Mai 2022 und bei Watson.

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