Luzern-Coach Gerardo Seoane gilt mit 39 Jahren als junger Trainer. Am Samstagabend (19 Uhr, Swisspor-Arena) trifft er mit Luganos Guillermo Abascal aber auf einen um zehn Jahre jüngeren Konkurrenten. Der 29-Jährige hat den Tessinern neues Leben eingehaucht.
Verrückt ist es ja schon, was in diesem Frühling in der Super League abgeht. Anfang Januar wurde beim FC Luzern Markus Babbel entlassen und durch U21-Trainer Gerardo Seoane ersetzt. Es war der Startschuss einer Entlassungsorgie in der Super League. Fünf Monate später ist Seoane bereits einer der dienstältesten Trainer der Liga, er ist bereits am viertlängsten im Amt. Nicht weniger als sechs Vereine haben seit Februar ihren Coach ausgetauscht. Und was auffällt: Die Trainer in der höchsten Schweizer Liga werden immer jünger. Keiner der entlassenen Trainer war jünger als 40, in der Liga ist jetzt aber die Hälfte aller Coaches unter 40 Jahre alt. Zwei davon treffen heute im Duell zwischen Luzern und Lugano aufeinander.
Bei Lugano steht neu der Spanier Guillermo Abascal an der Seitenlinie, mit 29 ist er wohl der erste Super-League-Trainer unter 30 Jahren. «Das Alter ist kein Problem», sagt er selber. Auch sein Konkurrent Gerardo Seoane findet, das Alter habe keinen Einfluss darauf, ob einer ein guter Trainer sei. Und: «Abascal ist etwa gleich lange Trainer wie ich, war davor Coach eines Profiklubs. Ich bin mir sicher, dass er genug reif ist.»
Bei Chiasso entlassen, in Lugano eingestellt
Guillermo Abascal hatte als Spieler einst in der Jugendakademie des FC Barcelona gespielt. Früh wurde er Trainer im Nachwuchs des spanischen Spitzenklubs FC Sevilla, am Schluss trainierte er dort die U17. Seit einem guten Jahr ist er nun Trainer in der Schweiz. «Ein Freund hat mir den Job vermittelt», sagt Abascal über die Stelle, die er im letzten Sommer beim FC Chiasso angenommen hat. Für Abascal war der Wechsel zum Tessiner Klub in der Challenge League die grosse Chance, Trainer eines Fanionteams zu sein. Und der Rotschopf fiel in der zweithöchsten Liga nicht nur wegen seiner Haarfarbe auf. Er gilt als grosses Trainertalent und als Motivator. Mit seiner Art, wie er auf die Spieler zugeht, erinnert er ein wenig an Domenico Tedesco, den 32-jährigen Trainer von Schalke 04. Und wie Tedesco bei Schalke startete auch Abascal in Chiasso sehr erfolgreich: Der Abstiegskandidat stand zwischenzeitlich auf dem vierten Rang.
Doch dann wollte es nicht mehr so recht klappen beim zweitbesten Tessiner Klub. Die bescheidene Bilanz: 28 Spiele, 8 Sieg. Chiasso zog die Reissleine, Abascal musste gehen. Für ihn war diese Entlassung aber die Chance auf einen grösseren Trainerjob. Als in Lugano Pierluigi Tami den Verein verlassen musste, wurde nämlich Abascal als Nachfolger vorgestellt – nur sechs Tage nach seinem Ende in Chiasso. Es war wie so oft ein mutiger Bauchentscheid des mächtigen Präsidenten Angelo Renzetti. Dieser hatte sich viele Partien Chiassos angeschaut. «Dabei habe ich mich nie gelangweilt», erzählte er bei Abascals Vorstellung.
Zumindest bisher hat der Spanier, der fehlerfrei italienisch spricht, Erfolg. In vier Spielen holte er mit den Tessinern sieben Punkte und liegt nun ebenso viele vor dem Abstiegsplatz. «Abascal hat frischen Wind reingebracht bei Lugano», lobt Luzern-Trainer Seoane. Dabei setzte der Mann an der Lugano- Seitenlinie aber nicht auf Spektakelfussball. In erster Linie versuchte er, Stabilität ins Team zu bringen. Abascals Attribute heissen Solidarität, Siegermentalität, Kampf und Leidenschaft. Er formuliert es so: «Ich will die Herzen der Spieler erreichen.» Etwas, was sein Boss Renzetti explizit gefordert hat. «Ich will, dass Abascal Enthusiasmus entfacht und die Spieler motiviert. Fussball spielen kann unsere Mannschaft.»
Abascal setzt auf dieselben Tugenden, die dem FCL auf der anderen Seite des Gotthards geholfen haben, sich von jeglichen Abstiegssorgen zu befreien. Das will auch Lugano schaffen, ein Sieg in den letzten vier Spielen dürfte zum Ligaerhalt reichen.
Beide Trainer haben den spanischen Pass
Die wichtigen drei Punkte will Abascal bereits heute holen gegen seinen Landsmann Gerardo Seoane, der neben dem Schweizer auch den spanischen Pass besitzt. Wie viel Spanien hat Seoane bei Lugano in den letzten vier Spielen gesehen? «Lugano spielt ähnlich wie wir, sicher kein Tiki-Taka, wie man sich von einer spanischen Mannschaft vorstellt. Aber Abascal wird die feurige spanische Mentalität seinen Spielern vermitteln.» Doch nicht nur Lugano will heute siegen. Für Luzern geht es darum, den dritten Rang zu verteidigen. Bei einem Cupsieg von YB würde dieser zur Europa-League-Gruppenphase reichen. «Wir wollen unseren Weg weitergehen», sagt Seoane, der nach wie vor keine Zielsetzung für diese Saison formuliert. Auch sein Team soll heute Herz zeigen.