Dreidimensionaler Sport

Es sei wie Fliegen auf einem Besen bei Harry Potter, sagen Spieler. Für Unterwasserrugby braucht es einen langen Atem und eine gute Übersicht, zeigt ein Besuch beim Wasserturmcup in Luzern.

Auf den ersten Blick erkennt der Zuschauer nicht, was sich im Sprungturmbecken im Hallenbad Luzern abspielt. Zwölf Personen befinden sich im Wasser, tragen Schnorchel und Flossen sowie dunkle oder helle Wasserballkappen. Dank einer Grossleinwand erkennt man immerhin, dass die zwölf Spieler um einen roten Ball in Handballgrösse tauchen und kämpfen. Der Ball schwimmt nicht, da er mit Salzwasser gefüllt ist. Ziel des Spiels ist es, diesen Ball im Tor, das einem Basketballkorb ähnelt, unterzubringen.

Unterwasserrugby nennt sich die Sportart, die brutaler klingt, als sie eigentlich ist. Durch klare Regeln werde das Spiel fairer, erklärt Felix Wahrenberger (42) aus Emmen, der für die Schweizerische Lebensrettungs-Gesellschaft (SLRG) spielt. Im Gegensatz zum Rugby an Land darf nur der Spieler gehalten werden, der im Ballbesitz ist. Zudem ist es nicht erlaubt, sich an der Ausrüstung zu vergreifen. Damit die Regeln eingehalten werden, gibt es drei Schiedsrichter: Zwei sind mit einer Tauchflasche unter Wasser, ein Schiedsrichter hält vom Beckenrand alles im Blickfeld.

Das Spiel sei sehr taktisch, sagt Wahrenberger. Dabei gibt es drei Positionen: Deckel, Goalie und Stürmer. Der Deckel liegt auf dem Tor, damit man den Ball nicht einfach darin versorgen kann. Er darf sich nicht am Korb festhalten, sonst gibt es einen Penalty, der mit einem Eishockey-Penalty verglichen werden kann. Der Goalie ist wie ein Fussballtorhüter vor dem Tor postiert. Dazu kommt der Stürmer, der im Defensivverhalten zu einem offensiven Verteidiger wird. In der Vorwärtsbewegung wird der Goalie zum Spielmacher. Jede Position ist doppelt besetzt, damit jeweils ein Spieler Luft holen kann. «Es braucht eine gute Abstimmung, damit nicht plötzlich die beiden mit derselben Position Luft holen und dann unten fehlen», erklärt Wahrenberger. Um sich dennoch in der Spielzeit von 13 Minuten erholen zu können, wechseln
die Spieler etwa im 2-Minuten-Rhythmus fliegend. Dazu dürfen die Spieler das Spielfeld bei der Linie hinter ihrem Tor verlassen, die Einwechselspieler springen in einer abgetrennten Zone ins Spielfeld.

Die Spielzüge ähneln den­jenigen von anderen Mannschaftssportarten wie Fussball oder Handball. Oft wird mit Doppelpässen durch die Mitte oder über die Seite versucht, die Verteidigung auszuspielen. Der Ball kann dank der Leichtigkeit der Salzwasserlösung auf eine Distanz von 3 Metern geworfen werden. Den Deckel überlisten kann man etwa, indem man sich neben das Tor kniet und mit dem Oberkörper den Deckel wegdrückt. Was macht der Reiz dieser Sportart aus? «Sie ist dreidimensional. Man spielt nicht auf einem Feld, sondern in einem Raum. Als Spieler kann man nicht nur nach links oder rechts, sondern auch unterhalb oder oberhalb des Gegners durchgehen.» Deshalb vergleicht Wahrenberger das Tauchen mit dem Fliegen auf einem Besen wie bei Quidditch von Harry Potter.

Tauchen ist nicht das Wichtigste

Nur mit einem grossen Unterschied: Man muss auch noch eine gute Lunge haben. Das Schwimmen sei jedoch nicht die wichtigste Eigenschaft für einen Unterwasserrugbyspieler, findet Wahrenberger. «Wichtig ist vor allem, dass man unter Wasser keine Angst hat. Dann lernt man auch das längere Tauchen und den Umgang mit dem Schnorchel sehr schnell.» Unterwasserrugby gibt es in der Schweiz bereits seit den 1970er-Jahren, zu den Pionieren gehörte die SLRG Luzern. Ursprünglich war das Spiel als Auflockerung zum Schwimmtraining gedacht. Auch heute noch haben deshalb viele Tauch- oder Rettungsvereine eine Unterwasserrugbyabteilung.

Beim Wasserturmcup wird in gemischten Teams gespielt, wie es in der Schweiz auch in der Meisterschaft üblich ist. Wirkliche Nachteile habe man als Frau nicht, erzählt Isabel Morgenstern (33), die für die Mannschaft aus Basel spielt. Dies, obwohl die Männer mehr Kraft hätten. «Die Spielweise der Geschlechter ist verschieden. Männer benötigen in den Zweikämpfen oft mehr Kraft und können daher weniger lang unten bleiben. Ausserdem haben Frauen oft die bessere Spielübersicht», so Morgenstern. Den Frauen zugute käme die Tatsache, dass nur der ballführende Spieler angegriffen wird. Allgemein fällt auf: Die Unterschiede zwischen den Spielern ist riesig. Zwischen 15-jährigen Mädchen und 50-jährigen Männern hat es alles dabei. «Da es verschiedene Spielertypen braucht, kann die Sportart für fast jeden etwas sein», sagt Wahrenberger.

Die Luzerner Mannschaft spielte im Wasserturmcup übrigens erfolgreich, scheiterte erst im Final an Karlsruhe.

Von oben ist zwar nicht viel zu erkennen, aber hier wird Rugby gespielt. (Video: Raphael Gutzwiller)

Unter Wasser sieht das ganze dann etwa so aus:

Publiziert in der Luzerner Zeitung am 8. November 2016.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.