Welches ist die Lieblingsbeiz der Stadtratskandidaten? Sina Khajjamian wählte das Restaurant Tibits. Im Gegensatz zur Regierung habe es den Zeitgeist erkannt. (Bild Eveline Beerkircher, Neue Luzerner Zeitung)

Ein ehemaliger Flüchtling will in die Stadtregierung

Sina Khajjamian (24) findet, der Stadtrat bewirke nichts. Deshalb will der gebürtige Iraner für die Jungen Grünen in die Regierung – und dort für gute Finanzen sorgen.

Wir treffen Sina Khajjamian (24), den Kandidaten der jungen Grünen, im Restaurant Tibits. «Die Gründer der Kette haben den Zeitgeist erkannt: Gesunder Fast Food, am besten noch vegetarisch oder vegan, das ist gefragt.» Khajjamian selber ist zwar kein Vegetarier, er isst aber nur wenig Fleisch. «Tibits hat das Gefühl unserer Zeit erkannt und macht das, was man im 21. Jahrhundert will. Ganz im Gegensatz zu unserer Kantonsregierung», sagt Sina Khajjamian und ist bereits mitten in seiner politischen Botschaft. Er findet auch die Stadtverwaltung überbürokratisiert, überreglementiert, und der Menschenverstand fehle bei vielen Entscheiden. Deshalb will er nun selber in die Regierung und kandidiert für die Jungen Grünen. Auf die Frage, was in der städtischen Politik falsch laufe, sagt er: «Es läuft eigentlich gar nichts, das ist ja das Problem. Und wenn etwas passiert, geht es viel zu langsam.» An nachhaltigen und zukunftsorientierten Visionen fehle es gänzlich, findet Khajjamian.

Als Beispiel nennt er die Initiative «Für zahlbaren Wohnraum», die 2012 von der Bevölkerung angenommen wurde. «Da hat sich zu wenig getan», so Khajjamian. «Darunter leiden insbesondere die Jungen und die weniger Wohlhabenden, die sich kaum mehr eine Wohnung in der Stadt leisten können.» Die Initiative müsste viel schneller umgesetzt werden. Dies sagt er, obwohl sich die Stadt und fünf Baugenossenschaften nun auf den Baurechtsvertrag geeinigt haben (Ausgabe vom 23. März). Das ist ein wichtiger Schritt für die Umsetzung der Initiative.

Er flüchtete 2000 in die Schweiz

Khajjamian hat eine bewegte Familiengeschichte hinter sich. Er flüchtete 2000 im Alter von neun Jahren mit seiner Mutter und seinem Bruder aus dem Iran, sein Vater wohnt immer noch dort. Khajjamians Mutter drohte Gefängnis, weil sie sich als Journalistin für Frauenrechte einsetzte. 2009 erhielt Sina Khajjamian den Schweizer Pass. Sein Hintergrund ist ihm sehr wichtig – auch in der Politik. «Weltoffenheit ist für mich nicht nur ein Slogan, sie begleitet mich immer», sagt Khajjamian. So sind für ihn die Integration und die Aufnahme von Flüchtlingen zentrale Anliegen.

Khajjamian arbeitet heute 50 Prozent als Betreuer im Asylheim, parallel dazu studiert er Wirtschaft an der Hochschule Luzern – Vollzeit. «Irgendwie bringt man es unter einen Hut. Ich arbeite oft am Abend oder am Wochenende.» Hat er da noch Zeit für Politik? «Ja, sie ist für mich ein schöner Ausgleich.»

Seit 2008 bei den Jungen Grünen

Auch durch die Aktivitäten seiner Mutter begann sich Sina Khajjamian schon in jungen Jahren für die Politik und Gerechtigkeit zu interessieren. 2008 trat er den Jungen Grünen bei. Dass er mit bald 25 Jahren (am Montag feiert er Geburtstag) zu jung für die Stadt­regierung ist, findet er nicht. «Der Stadtrat soll die gesamte Bevölkerung vertreten – auch die Jungen, denn sie sind die Zukunftsträger. Das Verständnis der älteren Generation für die Jugend fehlt hingegen des Öfteren», so Khajjamian. In der Politik heisse es oft, dass die Jungen noch naiv seien. «Wenn ein Junger seine Meinung vertritt, wird diese nicht ernst genommen», so Khajjamian. Dabei wäre eine Wahl eines jüngeren Politikers ein Gewinn für Jung und Alt, findet er. «Die älteren Politiker können von den Visionen der Jungen profitieren, auf der anderen Seite könnte ich aus der Erfahrung von Adrian Borgula oder Martin Merki lernen.»

Er besitzt sieben Velos

Khajjamian ist passionierter Velofahrer und Rennvelosammler, er besitzt sieben verschiedene Velos. «Am liebsten mag ich die Marke Tigra aus Sursee, die es leider nicht mehr gibt.» Dieses Interesse ist ihm auch in der Verkehrspolitik ein grosses Anliegen. «Zwar ist es in der Stadt schon besser geworden, aber es gibt immer noch Stellen, die für Velofahrer gefährlich sind», sagt er, der erst vor zwei Wochen in einen Unfall verwickelt war. «Zum Glück ist aber alles noch mal gut gegangen. Nur mein Velo und meine Zehe sind kaputt», sagt er und lacht.

Neben erhöhter Sicherheit für Velofahrende interessiert sich der Wirtschaftsstudent insbesondere für die Steuerstrategie der Stadt Luzern. Und mit dieser ist er gar nicht einverstanden: «Es macht keinen Sinn, wenn Luzern Grossunternehmen anlocken möchte. Wegen der Nähe zu Zürich und der mangelnden Infrastruktur gehen sie eher nach Zug», so Khajjamian. «Deshalb müsste die Stadt Start-ups fördern, damit sich diese hier entwickeln können.» Das könne eine grosse Chance für die Stadt Luzern sein, findet Sina Khajjamian. «Schliesslich sind Internetfirmen wie Facebook oder Amazon auch klein entstanden.» Auch für die Finanzstrategie der Stadt hat er heute wenig übrig: «Bei den aktuell tiefen Leitzinsen sollte die Stadt lieber in die Zukunft investieren. Denn das Geld war noch nie so billig wie heute», so Khajjamian.

Aus diesen Gründen ist für ihn klar, welche Direktion er bei einer Wahl als Stadtrat übernehmen möchte: «Ich will Finanzdirektor werden.» Dass seine Wahlchancen gering sind, ist sich der Kandidat der Jungen Grünen bewusst. «Ich will aber ein Zeichen setzen: Es muss sich jetzt einfach etwas ändern.»


Drei Fragen an Sina Khajjamian

Woher stammt Ihr Nachname, und wie spricht man ihn aus?
Der Name Khajjamian oder auch Khayyamian ist persisch und war der Name eines berühmten Webers. Man sagt «Chääjamian».

Sie waren selber ein Flüchtling. Welche Rolle spielt dieser Hintergrund für Sie in der Politik?
Natürlich hat mich die Geschichte beeinflusst, insbesondere da meine Mutter eine iranische Journalistin war, die selber die Gesellschaft im Iran kritisiert hat. Wir bekamen bereits als Kinder wichtige Werte wie Gleichberechtigung mit. Diese Werte spielen für mich auch in der Politik eine wichtige Rolle.

Möchten Sie mit Ihrer Kandidatur in erster Linie Ihre Wahlchancen fürs Stadtparlament erhöhen?
Klar können dadurch vielleicht die Chancen für das Parlament steigen. Mein Ziel ist es aber, in die Stadtregierung gewählt zu werden.

Publiziert in der Neuen Luzerner Zeitung am 1. April 2016. 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.