Schon zum dritten Mal holt sich Fanny Smith den Gesamtweltcup. Inzwischen ist die Skicrosserin mit 28 Weltcup-Siegen die beste der Geschichte. Eine Annäherung an die Dominatorin ihrer Sportart, der Olympiagold noch fehlt.
Alles beginnt im Gondeli. Mit 14 Jahren sitzt Fanny Smith in einer Gondel in Zweisimmen mit ihrem Vater Christophe. Sie sind auf dem Weg an ein Skicross-Rennen. Es ist der Tag, an dem das IOC grünes Licht für das Skicross an Olympischen Spielen gibt. Christophe Smith fragt seine Tochter: «Willst du an die Olympischen Spiele?» Fanny Smith lacht und sagt: «Ja, sicher. Wer will das nicht?»
Danach ist alles anders. Skicross ist plötzlich nicht mehr nur Spass, es ist ein Ziel. Sponsoren werden gefunden, ein Privatteam aufgebaut. Mit 16 ist Smith Profi, mit 17 holt sie an den Olympischen Spielen ein Diplom. Inzwischen ist Smith 28 und gilt als beste Skicrosserin aller Zeiten. Schon in 28 Weltcup-Rennen stand sie zuoberst auf dem Podest. In diesem Winter hat sie zum dritten Mal den Gesamt-Weltcup-Sieg geholt, dabei stehen noch zwei Rennen aus. An Weltmeisterschaften hat sie einen gesamten Medaillensatz, plus zwei zusätzliche Silbermedaillen. Die Letzte davon von Mitte Februar in Idre. 2018 holte sie Bronze an den Olympischen Spielen.
Konstant gut in der unplanbaren Sportart
Wer mit Fanny Smith spricht, spürt ihre Offenheit. Das Angebot, das Interview in ihrer Muttersprache Französisch zu führen, wehrt sie lieber ab, stattdessen spricht sie locker in einem munteren Mix aus Deutsch, Französisch und Englisch.
Wenn sie über ihren Sport spricht, lodert das Feuer lichterloh. «Ich liebe die Sportart einfach», sagt Smith. «Dieser Kampf Frau gegen Frau, die Sprünge, das Strategische und Taktische. Die Sportart ist einfach komplett.» Vier Fahrerinnen treten im Skicross gegeneinander an, wer am schnellsten unten ist, gewinnt.
Fanny Smith wächst im 1000-Seelen-Dörfchen Villars-sur-Ollon im Waadtland auf. Lesen und Schreiben fällt ihr schwer, darunter leidet sie in ihrer gesamten Schulzeit, sie wird gemobbt. Der Sport dagegen gibt ihr Halt. Schon mit sechs bestreitet sie erste Skirennen und sie skatet gerne. Auf der offiziellen Website von Swiss-Ski gibt sie noch heute als ihre Hobbys an: Wakesurfen, Skateboarden, Mountainbiken. Fanny Smith bezeichnet sich als «enfant casse-cou», übersetzt – so was wie ein Draufgängerkind.
Sie eifert ihrem um dreieinhalb Jahren älteren Bruder nach, einem Freestyleskier. Zweimal tritt sie selber im Slopestyle an, doch eine Sportart mit Jury passt nicht zu ihr. «Ich könnte nie eine Sportart betreiben, in der die Jury über Sieg und Niederlage entscheidet», erklärt Smith. «Selbst in Alpinrennen hat mich der Kampf gegen die Uhr immer gestört.»
In einem Jahr nimmt Fanny Smith an ihren vierten Olympischen Spielen teil. 2018 hat sie mit dem Gewinn der Bronzemedaille ein grosses Ziel erreicht. «Ich wusste, das ich eine Medaille möchte, und darum war ich so glücklich über Bronze», sagt Smith. Das Ziel für 2022 kann nur die Goldene sein. Doch Smith wiegelt ab: «Natürlich wäre das super. Aber so was kann man nicht planen, schon gar nicht in der Sportart Skicross, wo der Zufall auch immer mitfährt.»
Der Flirt mit Grossbritannien und die Eingliederung ins Nationalteam
Ihr Weg im Skisport erinnert an Lara Gut-Behrami. Von Beginn weg startete Fanny Smith mit einem Privatteam. Nötig ist dies zunächst, weil die Verbandsstrukturen nicht so weit sind. Smith ist eine der ersten Profi-Skicrosserinnen überhaupt. 2017, weniger als ein Jahr vor Pyeongchang, liebäugelt sie damit, künftig für Grossbritannien zu starten. «Wir haben uns mal angehört, was ein Nationenwechsel bedeuten würde», sagt Smith. Swiss-Ski bekommt Wind davon, überzeugt die beste Schweizerin aber zum Nationenverbleib. Mehr noch: Swiss-Ski gelingt es, Smith davon zu überzeugen, sich ins Nationalteam einzugliedern. Die neunjährige Ära mit ihrem Trainer, dem früheren Snowboarder Guillaume Nantermod, nahm ein Ende. Mit ihm hatte Smith elf Mal im Weltcup gesiegt. Seither holte sie 17 Weltcup-Siege.
Und somit hat sie inzwischen selbst die zurückgetretene Französin Ophélie David überholt. «Ophélie hat sich sehr für mich gefreut, hat mir sogleich geschrieben, als ich ihren Rekord brach», sagt Smith. Zwischen ihr und David ist eine tiefe Freundschaft entstanden. Auch in diesem Jahr möchte Smith David wieder in Korsika besuchen. «Darauf freue ich mich schon jetzt», sagt Smith, für die im Frühling und Frühjahr das Reisen immer einen grossen Stellenwert hat. Am liebsten ganz einfach: mit dem Rucksack durch Vietnam, durch Thailand. «Für mich ist diese Zeit enorm wichtig, um die Batterien wieder aufzuladen. Vor dem harten Sommertraining brauche ich diesen Ausgleich.»
Als Beste des Winters hat sich Fanny Smith bereits gekrönt. Im zweitletzten Rennen nächste Woche geht es für sie aber wortwörtlich um die Krone. Die Siegerin im russischen Sunny Valley erhält eine Krone. «Die Krone ist natürlich eine besondere Motivation», so Smith. Und zum Abschluss gibt es noch das Heimrennen in Veysonnaz. Wo sie es geniessen kann.
Publiziert in der Schweiz am Wochenende: Hier der Link