Mauro Lustrinelli (41) trifft als Cheftrainer mit dem FC Thun auf seinen Ex-Klub Luzern. Nach zwei Siegen in Serie ist Thun im Hoch. Lustrinellis Zukunft ist jedoch ungewiss.
Mauro Lustrinelli, seit fünf Spielen sind Sie Super-League-Trainer. Wie fühlt sich das an?
Sehr gut, ich fühle mich sehr wohl in dieser Funktion. Diese Arbeit macht mir wirklich Freude und Spass.
Nach drei Niederlagen zum Start konnte Ihr Team zuletzt gleich zweimal gewinnen. Warum klappt es plötzlich?
Der Unterschied zwischen Sieg und Niederlage liegt oft in kleinen Details. Entscheidend war, dass die Mannschaft alles für den Sieg getan hat. Sie hatte den unbändigen Willen, als Sieger vom Platz zu gehen. Dann ist es möglich, dass man wie gegen Sion im letzten Spiel einen Last-Minute-Sieg landen kann. Manchmal braucht es auch Glück, aber die Mannschaft hat wirklich viel dafür getan.
So schön solche Erfolge sind: Sie sind nur ein paar Spiele lang Trainer dieser Mannschaft. Wie speziell ist dieser Umstand?
Ich gebe jede Minute und in jedem Training Vollgas und denke gar nicht so weit. Klar habe ich eine Vision, was in Zukunft sein soll, aber im Moment konzentriere ich mich auf den FC Thun und darauf, mit ihm das Optimum herauszuholen. Für mich ist es die Aufgabe, für die Spieler da zu sein und ihnen zu helfen.
Sie haben die Uefa-Pro-Lizenz. Dennoch werden nicht Sie, sondern Marc Schneider ab Sommer Cheftrainer des FC Thun. Wie enttäuscht sind Sie über diesen Entscheid?
Natürlich war ich am Anfang enttäuscht. Aber diese Enttäuschung ist jetzt weg, weil ich eine andere Arbeit bekommen habe. Momentan habe ich gar keine Zeit, mich damit zu befassen. Mein Fokus gilt jetzt einzig und allein der Arbeit als Trainer. Im Leben, aber vor allem im Fussball, geht es schnell. Da soll man sich auf das Wesentliche konzentrieren.
Aber Ihr Ziel muss sein, irgendwann Super-League-Trainer zu sein.
Klar ist es das. Darum habe ich schliesslich die Uefa-Pro-Lizenz gemacht. Ich werde irgendwann Trainer in der Super League sein, aber ich weiss nicht wann. Wenn die Chance kommt, bin ich bereit. Ich habe eine Vision. Als Spieler durfte ich im schönsten und besten Wettbewerb teilnehmen. 2005 spielten wir mit dem FC Thun in der Champions League. Diese wunderschönen Erfahrungen und Erfolge möchte ich als Trainer wiederholen. Dafür arbeite ich jeden Tag.
Sie waren als Spieler für viele und schöne Tore bekannt. Sind Sie auch als Trainer offensiv eingestellt?
Als Spieler ist man auf sich selber fokussiert, das ist als Trainer ganz anders. Da muss man das ganze Team und damit sowohl Defensive als auch Offensive im Griff haben. Klar bin ich als ehemaliger Stürmer eher offensiv orientiert. Aber im modernen Fussball fängt das Verteidigen bereits vorne an. Als Trainer verlange ich sehr viel von meiner Mannschaft. Das verlange ich aber auch von mir.
Wie zeigt sich das?
Ich arbeite mit den Spielern vor allem an Details. Ziel ist es, in jedem Training und in jedem Spiel 100 Prozent zu geben und an die Grenzen zu gehen. Die Einstellung ist entscheidend. Fehler machen alle, die Frage ist aber, wie man damit umgeht. Es geht darum, dass sich die Spieler sogleich wieder fokussiert auf die nächste Aktion konzentrieren müssen. Für mich soll der Fussball ein Mix zwischen Freude und Seriosität sein, also eine seriöse Freude. Fussballer zu sein, ist ein Traumjob, der zeitlich begrenzt ist. Deshalb soll man versuchen, das Maximum herauszuholen.
Wie viel schwieriger ist es, Trainer statt Spieler zu sein?
Als Trainer in der Super League gibt es zehn Stellen, die Jobs sind sehr beschränkt. Das ist als Spieler ein bisschen anders. Und der Druck ist deutlich höher. Inzwischen erwartet man von einem neuen Trainer sofort gute Resultate. Aber die schönste Sache ist, dass es kein Rezept gibt. Jeder Trainer ist anders, und jeder hat andere Wege zum Erfolg.
Sie zählen zur neuen Trainergeneration, die noch vor einigen Jahren in der Super League spielte. Was bringt Ihnen diese Erfahrung als Spieler?
Der grosse Vorteil ist, dass man es schon einmal erlebt hat. Man weiss, was in einem Team auf diesem Niveau passiert, wenn es gut oder schlecht läuft. Man kann sich an solche Situationen erinnern. Aber es ist klar: Weil man ein erfolgreicher Spieler gewesen ist, wird man nicht automatisch ein erfolgreicher Trainer. Von einem Trainer wird mehr gefordert als nur der Fussballsachverstand. Entscheidend ist vor allem die Sozialkompetenz. Ein Trainer muss wissen, wie er mit seiner Mannschaft das Optimum herausholen kann. Das ist unabhängig davon, ob er beim FC Basel oder beim FC Thun arbeitet. Entscheidend ist, dass er die Mannschaft weiterentwickeln kann.
Eine wirkliche Entwicklung können Sie mit Ihrer Mannschaft in nur zwei Monaten aber kaum bewerkstelligen, oder?
Das stimmt. Aber ich versuche, aus diesen zwei Monaten das Optimum herauszuholen. Sodass man nachher sagt: Okay, er war nur zwei Monate Trainer, aber in dieser Zeit hat er etwas gebracht.
Wie sieht Ihre Zukunft aus?
Zukunft? Keine Ahnung. Ich weiss nur, dass morgen um 10 Uhr das Training beginnt.
Ihre Zukunft liegt aber sicher nicht beim FC Thun.
Ja, bei Thun läuft mein Vertrag noch bis Ende Juni. Was dann sein wird, weiss ich nicht. Im Fussball kann es schnell gehen, und ich werde parat sein, wenn etwas kommt.
Sie sind eigentlich noch als U18-Trainer angestellt. Können Sie sich vorstellen, wieder irgendwo mit dem Nachwuchs zu arbeiten, falls Sie keinen Job in der Super League erhalten sollten?
Vor einem Monat hätte ich nie gedacht, hier mit Ihnen zu sprechen, weil ich Cheftrainer des FC Thun bin. Die Entscheidung, Thun zu verlassen, war schon vorher gefällt. Darum: Im Fussball kann man nie wissen. Falls etwas kommt, werde ich parat sein. Momentan konzentriere ich mich auf den FC Thun.
In Luzern kennt man Sie als «Lustrigoal». In 48 Spielen für den FC Luzern schossen Sie 20 Tore. Welches sind Ihre Erinnerungen an diese Zeit?
Die sind sehr gut. Im Nachhinein betrachtet bin ich zu früh aus Luzern weggegangen. Luzern ist eine fantastische Stadt, wo es wirklich Spass macht, Fussball zu spielen. Ich erinnere mich noch gut an die Begeisterung der Fans. Und natürlich habe ich auch noch den Cupfinal 2007 im Kopf, als wir sehr unglücklich gegen den FC Basel verloren haben. In der Schlussphase habe ich eine grosse Chance vergeben, das wurmt mich noch heute. Aber ich hatte auch viele tolle Momente: Zum Beispiel schoss ich gegen den FC Basel das Tor des Jahres.
Wie speziell ist es für Sie, auf Ihr Ex-Team zu treffen?
Noch spezieller wäre es sicher gewesen, wenn das Spiel in Luzern gewesen wäre. Dennoch: Ich kenne so viele Spieler. Mit einigen habe ich noch zusammengespielt, wie etwa mit Claudio Lustenberger, David Zibung oder den Schneuwly-Brüdern. Und viele kenne ich von meinem Job als Assistenztrainer der U21-Nationalmannschaft, den ich weiterhin ausübe. Dazu zählen Nicolas Haas, Remo Arnold oder João Oliveira. Klar: Für mich wird es gegen den FC Luzern ein spezielles Spiel werden.