Ruder-Europameister Michael Schmid fühlt sich in der Nähe des Wassers wohl – hier bei der Luzerner Sommerbar Nordpol am Reusszopf. (Bild: Corinne Glanzmann)

«Ich wusste nicht, dass ich Erster bin»

Der Luzerner Michael Schmid (29) ist neuer Europameister im Skiff. Nun will er auch auf dem Rotsee und an der Weltmeisterschaft schnell sein – dabei ist er im Gegensatz zum Vorjahr kein Profi mehr.

Michael Schmid, seit Sonntag sind Sie Europameister im Einer beziehungsweise Skiff. Die Entscheidung in Tschechien fiel hauchdünn. Wie haben Sie diese erlebt?

Als ich ins Ziel kam, hatte ich keine Ahnung, auf welchem Rang ich klassiert war. Die ersten vier waren unglaublich nah beisammen. Dann hiess es, dass ich zur Siegerehrung müsse. Unsere Pressesprecherin sagte mir, dass ich gewonnen habe. Zuerst habe ich es nicht geglaubt. Aber umso besser, dass es wirklich so war.

Wie kann man den EM-Titel im Skiff einordnen?

Für mich ist das sicher der bisher grösste Erfolg in meiner Karriere. Die Europameisterschaften sind nach den Weltmeisterschaften und den Olympischen Spielen der drittwichtigste Wettkampf. Es ist aber auch wichtig, wie der Titel zu Stande kam. Unser Plan ist perfekt aufgegangen, und dann macht es umso mehr Spass, Erfolge zu feiern.

Im letzten Jahr traten Sie in den Olympischen Spielen im Doppelzweier an. In diesem Jahr wechselten Sie wieder zum Skiff. Warum?

Diese Wechsel gibt es immer wieder. In der Saison nach einem olympischen Jahr gibt es bei vielen Nationen Umstellungen, man probiert etwas aus. Über den Winter und im Frühling trainieren wir sowieso auch viel im Skiff, da man dann flexibler sein kann. In diesem Jahr haben wir uns auch deshalb entschieden, vorerst im Skiff anzutreten.

Mit diesem Wechsel werden Sie vom Teamsportler zum Einzelsportler.

Ja, das stimmt. Der Vorteil ist, dass man im Skiff die grösstmögliche Flexibilität hat. Während des Rennens kann man seinen Plan komplett umstellen, ohne dass man das mit jemandem absprechen müsste.

An der EM brillierten nicht nur Sie, die Schweiz holte insgesamt drei Medaillen. Sind Sie überrascht, da ja die Olympiasieger im Vierer eine Pause einlegen?

Mich überrascht das weniger. Schon im letzten Jahr waren nicht nur die Olympiasieger erfolgreich, sondern auch andere Athleten. In Rio klassierte sich etwa der Doppelvierer als Siebter und Jeannine Gmelin im Einer als Fünfte. Das sind enorm gute Leistungen. Diese sind aber neben dem Erfolg des Leicht­gewichtsvierers verblasst.

Wie der Vierer im Leichtgewicht ist auch der Einer im Leichtgewicht nicht olympisch. Für Sie gibt es im Hinblick auf die nächsten Olympischen Spiele zwei Möglichkeiten: im Zweier antreten oder Kilos zunehmen.

So einfach ist das mit dem Zunehmen nicht. Ich bin mit 179 Zentimetern zu klein für die offene Bootsklasse, wo die meisten Athleten grösser und kräftiger sind. Deshalb geht es für mich dann wohl wieder in einen Leicht­gewichtszweier.

Wie sehr muss man darauf achten, beim Leichtgewicht das Gewicht zu halten?

Natürlich ist das ein Thema, vor allem weil ich einer bin, der relativ schnell zunehmen würde. Es ist zwar nicht so, dass ich Kalorien zähle, aber man schaut darauf, dass man am Abend weniger Kohlenhydrate und wenig Süsses isst. Das ist aber nicht schlimm.

Zuletzt wurde der Leichtgewichtsvierer aus dem olympischen Programm gestrichen. Wie enttäuscht sind Sie, dass nicht mehr auf die Leichtgewichtsdisziplinen gesetzt wird?

Die Leichtgewichtsdisziplinen wurden eingeführt, dass mehr Menschen die Möglichkeit haben, auf Weltcupniveau zu rudern. Wenn es plötzlich heissen würde, dass es diese Disziplinen nicht mehr gäbe, dann könnte ich als Athlet nichts ausrichten. Für mich hiesse es dann, dass ich aufhören oder deutlich kräftiger werden müsste.

Im letzten Jahr haben Sie ein Jahr als Profisportler gelebt. Nun studieren Sie wieder, machen an der Universität Bern den Master in Sport­psychologie. Wie bringt man beides unter einen Hut?

Im olympischen Jahr nahm ich eine Pause vom Studium, um mich vollständig auf den Spitzensport konzentrieren zu können. Mit dem Studium ist es schon so eine Sache, dass man das aneinander vorbeibringen kann. Dabei braucht man auch Verständnis von den Professoren, dass man einmal trainieren oder ins Trainingslager reisen muss. Irgendwie geht es aber immer.

Bei den Ruderern sind Sie als derjenige mit den speziellen Hobbys bekannt. Sie haben sich das Ziel gesetzt, von jedem Literatur-Nobelpreisträger ein Buch zu lesen.

Darauf kam ich, als ich in der Sportler-RS war. Als Student ist man sich gewohnt, viel zu lesen, im Militär musste ich das plötzlich nicht mehr. Dann bin auf diese Idee gekommen. Bis jetzt habe ich 95 Bücher von Nobelpreis­trägern gelesen.

Dabei sind wohl nicht alle Bücher gleich gut.

Das stimmt. Es gibt schon solche, bei denen man sich durchkämpfen muss. Als Sportler kennt man das ja. Aber die meisten sind sehr gut. Schliesslich haben die Autoren den Nobelpreis gewonnen.

Sie machen auch Yoga.

Das darf man sich aber nicht falsch vorstellen. Es geht darum, an den Ruhetagen etwas für die Beweglichkeit zu tun.

Welche Ziele haben Sie in der laufenden Saison noch?

Für mich gibt es noch zwei ganz grosse Saisonhighlights. Zum einen sind da die Weltmeisterschaften in Florida von 24. September bis 1. Oktober. Aber zuerst steht noch der Weltcup-Wettkampf von 7. bis 9. Juli auf dem Rotsee auf dem Programm. Dort zu gewinnen, wäre für mich sehr emotional.

Das haben Sie ja bereits einmal erlebt. 2014 haben Sie das Weltcuprennen gewonnen – auch damals im Skiff.

Ja, und das war viel emotionaler als der jetzige Europameistertitel. Der Rotsee ist der See, auf dem ich schon als Zwölfjähriger trainiert habe. Ich kenne jeden Baum. Im Publikum sitzen meine Freunde und meine Familie. Dar­um freue ich mich wie immer sehr auf den Weltcup in Luzern.

Publiziert in der Luzerner Zeitung am 2. Juni 2017.

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