Am nächsten Mittwoch trifft der FC Luzern auswärts im Cup-Halbfinal auf Sion. Stephan Lehmann (53) war für beide Teams aktiv. Mit Sion holte er viermal den Cup – einmal ausgerechnet gegen den FCL.
Stephan Lehmann, Sie sind eine Goalie-Legende beim FC Sion und beim FC Luzern. Wem drücken Sie im Cup-Halbfinal die Daumen?
Bei diesem Spiel bin ich total neutral. Luzern und Sion sind die beiden Clubs, bei denen ich am längsten aktiv war. Ich habe beide Vereine im Herzen.
1997 spielten Sie im Cupfinal für Sion gegen Luzern und gewannen. Welche Erinnerungen haben Sie
an die Partie?
Das war für mich eine absolut aussergewöhnliche Partie. Zum einen, weil wir in dieser Saison auch das Double gewinnen konnten. Zum andern aber vor allem, weil schon vor der Partie feststand, dass ich in der nächsten Saison für Luzern spielen würde. Deshalb war der Cupfinal 1997 für mich der erste und einzige Match in meiner ganzen Karriere, bei dem ich ein bisschen gespalten war. Und mit der unglaublichen Dramaturgie im Spiel, das im Penaltyschiessen entschieden wurde (siehe Box), ist das Final unvergesslich.
In diesem Spiel wäre ja auch ein Sieg für den FCL in Ihrem Sinne gewesen. Sie hätten dann in der darauffolgenden Saison im Europacup gespielt.
Das ist so. Aber wenn man für den FC Sion im Cupfinal spielt, dann will man einfach gewinnen. Den bekannten Walliser Cup-Mythos gibt es wirklich. Es will niemand in dieser Mannschaft sein, die den ersten Cupfinal verliert. Das zeigen etwa auch die letzten Cupfinals mit Sittener Beteiligung. Der FC Sion spielte jeweils ausgerechnet im Cupfinal erstaunlich stark. Ich erinnere beispielsweise an das 3:0 gegen den FC Basel 2015, als Sion den Gegner komplett überfuhr. Bei einer Niederlage im Cupfinal würde man enorm negativ in die Geschichte des Vereins eingehen. Das will man nicht. Deshalb gibt jeder Spieler noch ein bisschen mehr. Aber das Ganze betrifft nur den Final, im Halbfinal ist es für die Spieler bei Sion vielleicht sogar eher gegenteilig.
Wie meinen Sie das?
Vielleicht will man mit dem FC Sion lieber früher aus dem Schweizer Cup ausscheiden, als den Druck zu haben, im Final unbedingt gewinnen zu müssen. Als ich 1991 mit Sion das erste Mal im Cupfinal stand, lagen wir zur Pause mit 0:2 gegen die Young Boys hinten. Wir sagten uns: Wir können nicht die Mannschaft sein, die das erste Mal im Final verliert. Wir haben uns zusammengenommen, nochmals überall ein bisschen mehr gemacht und das Spiel schliesslich noch gekehrt. Nach der Partie dachte ich: Ein solches Spiel muss nicht jedes Jahr sein. Der Druck, den man im Wallis vor einem Cupfinal hat, ist unglaublich. Es wird wochenlang nur von diesem einen Spiel gesprochen und davon, dass noch nie eine Mannschaft von Sion im Final verloren hat.
Und doch erreichten Sie auch 1995, 1996 und 1997 mit Sion den Final und gewannen den Schweizer Cup sogar dreimal hintereinander. Wie gelang das?
Dass das möglich war, war unglaublich. Wir hatten damals eine wirklich gute Mannschaft und einen grossen Willen. Aber der Rückblick auf diese Finals ist nur schön, weil wir sie jeweils gewinnen konnten. Ein Cupfinal ist nämlich nur schön, wenn man ihn gewinnt – und in Sion ganz speziell.
Was war Ihr schönster Moment im Schweizer Cup als Aktiver?
Alles! Es gibt nicht nur einen Moment, den ich hervorheben könnte. Jeder Cupsieg mit Sion war noch besser, unglaublicher, geiler und schöner als der vorherige. Wenn 20 000 Menschen im Wallis auf der Strasse stehen und dich feiern, dann ist das unglaublich.
Gibt es diese Cup-Euphorie nur im Wallis, oder wäre das auch in Luzern möglich?
Ich bin mir sicher, dass es in Luzern ähnlich wäre. Vor allem jetzt, wo der FCL seit einigen Jahren wieder auf einen Titel wartet (Seit dem Cupsieg 1992, Anm. d. Red.). Bei einem Cupsieg würde in Luzern wohl ebenfalls gross gefeiert werden. Schliesslich sind Luzern und Sion vergleichbar: Beides sind absolut fussballverrückte Regionen und haben tolle Fans.
Wie lautet Ihr Tipp für das Spielam Mittwoch?
Cupspiele kann man nie voraussagen. In so einem Spiel kann wirklich alles passieren, und alles ist möglich. Vor allem auch in diesem Spiel, in dem ich die beiden Mannschaften etwa gleich stark einschätze. Im Cup ist jedoch auch ein Heimspiel ein nicht zu unterschätzender Vorteil. Das würde in diesem Fall eher für Sion sprechen. Zudem kennt man ja den Präsidenten Christian Constantin, der sicher den Spielern gehörig Druck machen wird. Ich traue aber auch Luzern den Sieg im Wallis zu.
Publiziert in der Luzerner Zeitung am 30. Mär