Urs Lindt

Liga-CEO Schäfer: «Wir wollen Hilfe von Bund und Uefa»

Der Schweizer Fussball ruht. Im Interview spricht Liga-CEO Claudius Schäfer über das Corona-Virus und seine Folgen.

Dieser Artikel wurde am 7. März 2020 in insgesamt mindestens 21 Ausgaben der “Schweiz am Wochenende” publiziert. 

Wie viele Stunden haben Sie die letzten Tage geschlafen?

Claudius Schäfer: Viel weniger als sonst. Ich schlafe sonst gut, auch wenn ich unter Druck bin. Aber die Diskussionen um das Corona-Virus haben Formen angenommen, die mich vom frühen Morgen bis zum späten Abend fordern. 

Sie beschäftigen sich mit möglichen Szenarien. Darüber befinden die Vereine am 16. März, falls sich die Situation verschärft. Was macht das mit Ihnen als Mensch?

Natürlich macht man sich Gedanken – auch private. Und bezüglich des Fussballs beunruhigt mich diese Ungewissheit schon. Zu den Szenarien können wir derzeit aber noch nicht viel sagen. Wir haben sogleich einen Krisenstab gebildet und gehen gezielt vor. 

Sie haben bekanntgegeben, dass Sie den Bund anfragen möchten bezüglich Subventionen. 

Den Begriff Subventionen ist mir wohl in den Mund gelegt worden. Ich habe davon gesprochen, dass sich die Situation in eine Richtung entwickelt, in der es bei vielen Vereinen sehr schnell ans Eingemachte geht. Noch 13 Meisterschaftsspiele pro Verein müssten durchgeführt werden. Wenn man weiss, dass in der Schweiz Ticketingeinnahmen bei einigen Vereinen über 40 Prozent der Einnahmen ausmachen, kann man die Rechnung schnell machen. Die Vereine werden vor grosse finanzielle Probleme gestellt. Es ist in meiner Verantwortung als Liga-CEO, dass ich solche Probleme auch in Richtung Bund anspreche und sage, dass wir uns Unterstützung wünschen.

Wenn es darum geht, dass der Bund dem Spitzenfussball Geld geben soll, stehen die Chancen schlecht. 

Ich habe selber auch private Rückmeldungen bekommen, dass Spieler Ferraris oder ähnliches fahren würden und nun der Bund unterstützen soll. Aber man muss wissen: Bei den Vereinen geht es nicht nur um die Spieler, die in den meisten Fällen übrigens alles andere als hoch bezahlt sind. Alleine durch die Super League werden 3300 Stellen generiert. Die Zahl ist vergleichbar mit einer mittleren Kantonalbank. 

Haben Sie Gelegenheit, direkt mit dem Bundesrat zu sprechen?

Wir haben uns mit dem Eishockey zusammengeschlossen und lassen uns beraten, wie wir am besten vorgehen möchten. Wichtig ist, dass wir es sauber und seriös aufgleisen. Es geht auch darum, dass nicht irgendwelche Vorurteile in die Entscheidung einfliessen. 

Wenn diese Hilfe nicht kommt: Wie schlimm stünde es um die Vereine, wenn im Worst-Case- Szenario die Meisterschaft abgebrochen werden müsste? 

Das Worst-Case-Szenario wäre schon früher erreicht. Dann nämlich, wenn wir Geisterspiele austragen müssten. Den Vereinen fallen Einnahmen weg, die Ausgaben bleiben hoch. Es stellen sich viele Fragen, die wir sauber abklären müssen. Klar ist: Schon nur die Geisterspiele würden die Schweizer Liga vor eine Herkulesaufgabe stellen. 

Kein Fussball am Wochenende. Blutet Ihnen derzeit ihr Fan-Herz?

Wenn man sich vorstellt, dass der Fussball vor leeren Rängen oder gar nicht mehr stattfinden würde, dann blutet mein Herz natürlich. Nur muss das Ganze auch in Relation gesetzt werden. Das Wichtigste ist, dass wir in der Schweiz die schwierige Situation in den Griff bekommen und dass solche Massnahmen rasch nicht mehr nötig sind. 

In den meisten europäischen Ligen läuft der Spielbetrieb einfach weiter. Wie kann es sein, dass in Freiburg gespielt wird und in Basel nicht? 

Das kann ich nicht beurteilen. Der Bundesrat hat seine Entscheidung getroffen, er wird genug gute Informationen gehabt haben. Dies zu kritisieren, steht mir nicht zu. Am Anfang gab es aus anderen Ländern eher mitleidige Rückmeldungen. Das hat sich geändert. In Italien gibt es nun Geisterspiele, in Israel sind nur noch 5000 Zuschauer zugelassen. Viele andere Verbände und Ligen fragen mich um Rat, da ihnen auch solche Unterbrüche drohen. Weitere Länder werden mit solchen Massnahmen nachziehen.

Wie sieht der Kontakt mit anderen Verbänden und Ligen aus?

Wir tauschen uns laufend aus. Noch am späten Mittwochabend hatte ich eine Telefonkonferenz mit den Israelis. Zudem fanden bereits Telefon-Konferenzen von der Uefa statt, an denen die betroffenen Ligen dabei waren. Es ist wichtig, dass einheitliche Regelungen getroffen werden. Nun haben sich offenbar U23-Spieler von Juventus Turin infiziert, die auch schon mit der ersten Mannschaft trainiert haben. Muss das Team unter Quarantäne gestellt werden? Was ist mit dem Team, das vorher gegen sie gespielt hat? Und wie wird damit im Spielbetrieb umgegangen? Das sind schwierige Fragen. 

Fälle wie bei der U23 von Juventus müssen verhindert werden, ansonsten droht der Abbruch der Meisterschaft. Geben Sie jetzt den Vereinen vor, dass sie die Spieler entsprechend schützen müssen?

Klar ist, dass die Vereine die Bundesratsvorschriften beachten sollen. Weiter muss jeder Klub für sich selber entscheiden, wie weit er gehen möchte. Es gibt Restriktionen, die heute übertrieben wirken, aber in einer Woche plötzlich nötig sein könnten. Infizierte Spieler wären ein sehr grosses Problem.

Doch am Uefa-Kongress in Amsterdam am Dienstag war das Corona-Virus kaum Thema. 

SFV-Präsident Dominique Blanc hat dort aufgezeigt, in welcher Notsituation wir sind. Er hat gesagt, dass man auch über Finanzmittel sprechen muss. Denn bei der Uefa sind grosse Reserven vorhanden. Darum wollten wir diese Forderung anmelden. Von anderen Verbänden und Ligen bekam er die Rückmeldung, dass sie froh sind, dass jemand dieses Thema angesprochen hat.

Dass das Corona-Virus sonst nicht zu reden gab, war erstaunlich.

Ich will dies nicht öffentlich werten, aber ich habe mir sicher auch meine Fragen gestellt. Vor allem steht mit der Europameisterschaft ein Turnier vor der Tür, das in zwölf Ländern gespielt wird. Es wird viel gereist. Da muss man wohl nicht mehr viel dazu sagen. 

Steht die EM auf der Kippe?

Es geht zum Glück noch ein paar Monate. Aber es ist sicher so, dass man diese Entscheidung nicht zwei Wochen vor dem Turnier fällen kann.

Mitten in der Corona-Krise fällt der Entscheid, ob die Super League auf zwölf Vereine aufgestockt wird. Dann drohen den Vereinen aber zusätzliche Verluste. Wird die Entscheidung hinausgeschoben? 

Ich könnte mir vorstellen, dass der Corona-Virus den Entscheid beeinflussen kann. Trotzdem ist eine Verlegung nicht realistisch. Die Generalversammlung findet wegen des Bundesratsentscheides statt am 13. neu am 16. März statt. Doch weil der Fernseh-Vertrag im Sommer 2021 ausläuft, müssen wir weiter vorwärtsmachen. Unser Anspruch muss es sein, ein grosses Interesse zu erzeugen für Broadcaster im In- und Ausland. 

Und was denken Sie: Welche Entscheidung wird gefällt?

Ich kann mich jetzt da nicht gross äussern. Doch die Diskussion läuft schon lange. Vor zwei Jahren wurde die Idee nach vielen Abklärungen wieder verworfen, später die Barrage wieder eingeführt. Als letzte Saison viele Vereine im Kampf gegen die Barrage involviert waren, haben sie sich wieder eine 12er-Liga gewünscht. 

Und die Liga hat das Österreicher Modell mit Trennung der vorderen und hinteren Gruppe vorgeschlagen. Nun geht es aber eher um ein Schottisches Modell?

Wir von der Liga sind da vielleicht ein bisschen zu forsch vorgegangen. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass wir Fehler gemacht haben. Die Vereine waren gegen das Österreichische Modell, weil sie weniger Spiele gehabt hätten. Darum landeten wir beim Schottischen Modell, bei dem alle Teams dreimal gegeneinander spielen und am Ende die Gruppen noch geteilt werden und noch fünf Runden gespielt werden. Die vielen offenen Fragen haben wir detailliert geklärt. Wir haben auch noch die Behörden nach ihren Meinungen gefragt, da wir in den letzten Runden eine recht kurze Ansetzungsfrist vorgesehen hätten. Da kamen skeptische bis ablehnende Rückmeldungen. 

Es tönt nicht nach einer Änderung. 

Das kann ich so noch nicht beurteilen. Ich hoffe, dass ein klarer Entscheid gefällt wird – in die eine oder andere Richtung. Wenn es ein knapper Entscheid würde, wäre das ein Problem. 

Es scheint alles von Aktualität getrieben. Beim spannenden Titelkampf will niemand etwas von einer Aufstockung wissen, vor einem Jahr sah dies mit dem engen Abstiegskampf anders aus. Sollten sich die Vereine bei dieser Diskussion nicht von der Aktualität lösen?

Wenn der Prozess zu lange dauert, kann die Meinung auch rasch wieder ändern. Das ist im Fussballgeschäft logisch. Darum gilt die Faustregel: Wenn ein Ligareform-Prozess innerhalb von vier Monaten nicht durchkommt, bleibt wohl alles beim Alten. Im Idealfall läuft es so, wie beim VAR, den wir innerhalb von 10 Monaten von der Entscheidung zur Einführung brachten.

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