Linus Bolzern, hier beim Luzerner Alpenquai, trainiert bis zu zehn Mal wöchentlich. (Bild: Dominik Wunderli, Luzerner Zeitung)

Ruhig auf dem wilden Wasser

Linus Bolzern (17) ist an der Kanu-Junioren-Europameisterschaft auf den dritten Platz gepaddelt. Das grosse Luzerner Talent strebt nun nach Höherem.

Wenn Linus Bolzern im Zug an einem Fluss vorbeifährt, dann schaut er immer ganz genau hin. Wäre der Fluss mit seinem Kanuboot zu bewältigen? Kein Gefühl mag er lieber, als mit einem Boot den Fluss hinunterzupaddeln. Und das macht er erfolgreich: Bolzern ist mehrfacher Junioren-Schweizer-Meister und holte in diesem Jahr an der Junioren-Europameisterschaft Bronze.

Auf seinem Element ist er jetzt, wo es auf den Winter zugeht, seltener. Statt bis zu zehn Mal pro Woche, sind es noch drei bis vier Einheiten. Sonst stehen Konditions- und Krafttraining auf dem Programm. «Klar machen mir Joggen und Krafttraining viel weniger Spass als das Training auf dem Wasser. Aber wenn ich weiss, dass sich der Aufwand lohnt und ich in den Wettkämpfen erfolgreicher bin, dann mache ich das gerne», so Bolzern.

Selber sieht der Kanufahrer denn auch vor allem bei der Kraft noch Verbesserungspotenzial. «Momentan stimmt bei mir das Verhältnis des Körpergewichts und der Kraft noch nicht optimal.» Im Kanufahren muss man möglichst kräftig gebaut sein, sollte aber gleichzeitig nicht zu schwer sein. Das diesjährige Wintertraining sei darum doppelt wichtig für Linus Bolzern, der oft allein trainiert.

Die Selbstdisziplin sei denn auch seine grösste Stärke, sagt Bolzern selber von sich. «Ich bin sehr fleissig, weil ich meine ­Ziele erreichen will.» Der 17-Jährige ordnet seinem Sport fast alles unter. Während viele seiner Freunde am Wochenende in den Ausgang gehen, bleibt Linus Bolzern während der Saison zu Hause oder bereitet sich auf dem Wasser für die kommenden Wettkämpfe vor.

Dank Ostersportwoche zum Kanu gelangt

Beim Kanusport gilt Linus Bolzern als Allrounder. Er startet sowohl in der Disziplin Regatta als auch bei der Wildwasser-­Abfahrt. In der Abfahrt wird eine Strecke auf fliessendem Wasser auf Zeit gefahren. Regatta wird auf flachem Wasser gefahren. Ähnlich wie beim Rudern starten die Fahrer gegeneinander im direkten Vergleich. Obwohl die Disziplinen komplett unterschiedlich sind, einen klaren Favoriten hat Bolzern nicht: «Für mich haben beide ihre Vorteile. Eine Wildwasser-Abfahrt kann eine grosse Herausforderung sein, das Gespür für das Wasser muss vorhanden sein. Jedoch kann es sein, dass man Pech hat. Das ist bei der Regatta anders, da das Wasser flach ist. Zudem sieht man dort schon während der Fahrt, wie gut man auf Kurs ist.»

Er sei zwar eher ruhig, sei aber auch immer für Spässchen zu haben, sagt er über seinen Charakter. Das ruhige Wasser würde zwar zu ihm passen, doch auch im Wildwasser müsse man ruhig bleiben. «Es bringt nichts, wenn man im Wildwasser wie wild um sich paddelt. Besser, man bleibt konzentriert und macht lange und gezielte Schläge.»

Bereits der Vater von Linus Bolzern fuhr Kanu, er kam selber jedoch durch eine Ostersportwoche im Alter von zehn Jahren zu seinem Sport. «Mir hat es von Beginn an sehr gut gefallen, daher wollte ich diese Sportart ausüben», so Bolzern. Er startete zuerst in einer Hobbygruppe, die einmal pro Woche aufs Wasser ging. Als er dann irgendwann gefragt wurde, ob er in die Wettkampfgruppe wechseln möchte, war für Bolzern der Fall klar: «Wenn das bedeutet, dass ich mehr aufs Wasser darf, dann mache ich das natürlich sehr gerne.»

Schnell stellten sich erste Erfolge ein. Und spätestens seit der Bronzemedaille im Sprint an der diesjährigen Junioren-Europameisterschaft in Murau (Österreich) zählt Bolzern zu den hoffnungsvollsten Talenten des Kanusports. Der Erfolg an der Europameisterschaft kam eher überraschend, vor allem weil Bolzern über die lange Distanz eine Top-Ten-Platzierung noch verfehlte.

Der 17-jährige Adligenswiler gibt sich damit aber noch nicht zufrieden. Da die Junioren-Weltmeisterschaft ebenfalls in Murau stattfindet, sagt er selbstbewusst: «Ich will Weltmeister werden.» Die Konkurrenz sei nicht viel grösser als an einer Europameisterschaft, zudem gehört Bolzern dann zum ältesten Jahrgang. «Ich glaube, dass meine Chancen gut stehen. Auch, weil ich mir sicher bin, dass ich bis dann weitere Fortschritte erzielen kann.» Und ein Jahr später, bei der Heim-Weltmeisterschaft in Muotathal, will er auch bei der Elite vorne mit dabei sein. «Der Heimvorteil ist nicht zu unterschätzen, da man auf dem Fluss bereits trainieren kann.»

10’000 Franken für eine Saison

Langfristig sind seine Ziele noch höher gesteckt: Weltmeister in der Abfahrt werden und in der Regatta an Olympia starten. «Klar sind das sehr hohe Ziele. Ich glaube aber, dass ich diese erreichen kann, wenn ich weiter so diszipliniert arbeite», so Bolzern. Durch Erfolge hofft er darauf, Sponsoren an Land zu ziehen. Schliesslich kostet eine Kanu-­Saison im Weltcup rund 10000 Franken. «Je mehr Erfolg ich habe, desto eher ist das auch möglich», sagt er.

Vor einem Wettkampf isst Bolzern anders als viele Sportler keine Teigwaren. Grund: Wegen der Krankheit Zöliakie muss er sich konsequent glutenfrei ernähren. Das hindere ihn aber nicht daran, auf dem Wasser Spitzenleistungen zu bringen, ist er überzeugt: «Es gibt inzwischen genügend Ersatzprodukte, sodass ich genügend Nährstoffe erhalte.» Aber: Gerade unterwegs im Weltcup müsse er immer wieder schauen, dass er keine Gluten erwische. «In einigen Ländern, etwa Polen oder Tschechien, ist Zöliakie noch nicht so bekannt. Dann muss man immer erklären, was man genau essen darf und was nicht. Und teilweise wissen sie nicht, was wirklich glutenfrei ist.»

Linus Bolzern trainiert zehn Mal pro Woche. Möglich macht dies die Sportklasse an der Kantonsschule Alpenquai, Luzern. Voraussichtlich 2018 sollte er die Matura im Sack haben. Und was er dann machen möchte, weiss er schon jetzt: Ein Zwischenjahr, in dem er sich vollkommen auf seinen Sport fokussieren kann. Profisportler ist als Kanufahrer zwar eher unrealistisch. Aber: «Es wäre schön, sich für eine gewisse Zeit noch intensiver dem Sport widmen zu können.»

Publiziert in der Luzerner Zeitung am 15. November 2016. 

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