Ist wieder im St. Galler Dress: Tranquillo Barnetta. (Bild: Benjamin Manser, St. Galler Tagblatt)

«Schön, wieder zu Hause zu sein»

Tranquillo Barnetta (31) ist zurück beim FC St. Gallen. Im Interview spricht er über die hohen Erwartungen an ihn, den nächsten Gegner Luzern und die Nationalmannschaft.

Tranquillo Barnetta, wie ist es, wieder in St. Gallen zu sein?
Sehr schön. Es tut gut, wieder zu Hause zu sein. Ich habe meine Freunde und Familie hier, und es ist natürlich schön, wenn man sie häufiger sieht. Viele von ihnen kommen auch an meine Spiele. Sportlich war es ein grosser Vorteil, dass ich bereits im November mit der Mannschaft trainieren konnte. Daher war ich beim Trainingsstart im Januar nicht mehr ein völlig neuer Spieler. Und den Verein kenne ich ja.

Dabei ist der FC St. Gallen nicht mehr derselbe Verein wie 2004, als Sie ihn in Richtung Bundesliga verlassen haben.
Klar, es hat sich unheimlich viel getan in all den Jahren. Der Verein ist professioneller geworden, hat ein neues Stadion bekommen. Aber die familiäre Stimmung von damals ist immer noch vorhanden. Und die Fans sind nach wie vor einzigartig.

Sportlich läuft es für Sie bei St. Gallen noch nicht ganz rund. Wieso?
Es fehlt der ganzen Mannschaft noch an der Konstanz. Wir haben Spiele, in denen wir überzeugen können und dann wieder Spiele, in denen es nicht wie gewünscht läuft. Da liegt es auch an mir und den anderen erfahrenen Spielern in der Mannschaft, Verantwortung zu übernehmen, damit wir schliesslich eine gewisse Konstanz erreichen können.


Auch Ihnen fehlt noch die Konstanz. In einigen Spielen sind Sie sehr positiv aufgefallen, in anderen weniger.
Natürlich stehe ich auch unter einer grösseren Beobachtung. Wenn ich offensiv weniger in Erscheinung trete, weil ich mit Defensivaufgaben beschäftigt bin, werde ich von aussen kritisiert. Aber es ist richtig, dass auch meine persönlichen Leistungen zu inkonstant waren. Wenn es der Mannschaft nicht gut gelaufen ist, ist mir selber ebenfalls wenig gelungen. Mein Ziel ist sicher, dass ich, wenn es der Mannschaft nicht läuft, mit guter Leistung vorangehen kann. So kann man seine Mitspieler aus dem Loch holen.

Sie sind hier in St. Gallen Volksheld, Publikumsliebling und Hoffnungsträger. Wie gehen Sie mit den hohen Erwartungen um?
Der Druck von aussen ist für mich nicht so gross, wie man vielleicht meinen könnte. Ich analysiere meine Leistung selber ebenfalls und bin dann derjenige, der am meisten unzufrieden ist, wenn sie nicht stimmt. Darum mache ich mir selber den grössten Druck und habe nicht das Gefühl, dass ich jemandem etwas schuldig bin.

Dennoch haben Sie eine spezielle Rolle im Team. Viele Ihrer Mitspieler haben Ihnen als Teenager zugejubelt, als Sie mit der Nationalmannschaft an den grossen Turnieren gespielt haben. Ist das in der Kabine ein Thema?
Nein. Natürlich hat man einander erzählt, wie es an den Weltmeisterschaften war. Schliesslich ist man aber einfach Teamkollege. Ich mache genau die gleichen Kraftübungen oder Ausdauerläufe wie alle anderen auch. Von aussen ist der Hype viel grösser als in der Mannschaft selber.

Sie haben so viel erlebt und erreicht in Ihrer Karriere. Was motiviert Sie noch, in der Super League zu spielen?
Ich denke, das ist typisch für Fussballer. Wenn man auf dem Platz steht, will man immer gewinnen. Und das, was in der Vergangenheit war, spielt während der 90 Minuten überhaupt keine Rolle. Es geht darum, in dem Moment eine gute Leistung zu zeigen und zu gewinnen. Zudem macht es einfach auch mehr Spass, wenn man Erfolg hat.

Was können Sie mit St. Gallen erreichen?
Wenn man die positiveren Resultate betrachtet, dann schielt man automatisch in der Tabelle ein bisschen nach vorne. Wahrscheinlich reicht der 5. Rang zur Europa-League-Qualifikation. Das wäre schon ein Ziel. Wir müssen aber auch realistisch sein: Es ist alles sehr eng zusammen, und wir müssen zuerst die notwendigen Punkte für den ­Ligaerhalt holen.

Sie haben lange in Deutschland gespielt. Wie wird dort der Schweizer Fussball wahrgenommen?
Die Super League wird sicher als sehr gute Ausbildungsliga gesehen. Man weiss, dass die Schweizer Fussballer gut ausgebildet sind. Deshalb ist die Liga für Bundesliga-Vereine sehr interessant. Es gibt auch immer mehr Spieler, die von der Bundesliga in die Schweiz ausgeliehen werden.

Beim FCSG sind mit Gianluca Gaudino (20) und Albian Ajeti (20) zwei Spieler von Bundesligisten ausgeliehen, wobei Ajeti nun fix übernommen wurde.Sie machten diese Erfahrung einst selber, als Sie von Leverkusen an Hannover ausgeliehen waren. Suchen Sie mit diesen Spielern das Gespräch über Ihre Situation?
Es ist immer schwierig zu sagen, was der richtige Weg ist. Ich kann nur von mir reden. Mir hat dieser Schritt damals sehr gut getan. Ich würde nochmals genau so entscheiden. Das gebe ich natürlich auch weiter. Aber jeder muss selber entscheiden. Es gibt nicht den einen richtigen Weg zum Erfolg.

Was können Sie den jüngeren Mitspielern beibringen?
Von aussen will man immer hören, was man den Jungen beibringen kann. Es sind kleine Details. Man hat schon das eine oder andere erlebt. Erfolgreiche Phasen und solche, die weniger schön waren. Mit einer gewissen Erfahrung bleibt man eher ruhig und weiss, dass man die Qualität dazu hat, die Leistung abzurufen. Oft sind es nicht stundenlange Gespräche, sondern kleine Details, sei es auch darin, Fragen zu beantworten. Auf dem Platz ist es wichtig, Ruhe auszustrahlen.

Gar nicht ruhig verlief Ihr Abgang aus der Schweizer Nationalmannschaft. Plötzlich wurden Sie nicht mehr aufgeboten. Nationalspieler und Öffentlichkeit konnten das nur bedingt verstehen. Wie stehen Sie heute zur Nationalmannschaft?
Ich hatte in der Nationalmannschaft eine tolle Zeit und verfolge sie daher intensiv. Ich freue mich, dass es momentan so gut läuft.

Ist eine Rückkehr in die Nati für Sie ein Thema?
Nein, das wäre sicher ein falsches Zeichen. In der Nationalmannschaft hat es viele junge Spieler, die ihre Sache sehr gut machen. Ich habe hier beim FC St. Gallen eine grosse Herausforderung und konzentriere mich darauf.

Es geht am Montag um 16 Uhr in Luzern weiter. Was erwarten Sie vom Spiel?
Das wird eine sehr schwere Aufgabe. Luzern hat zuletzt den Weg aus der sieglosen Phase gefunden. Sie wollen ihren Sieg in Vaduz bestätigen. Wir möchten jedoch nach zwei schwachen Auftritten eine Reaktion zeigen und wieder gewinnen.

 

Zur Person
Tranquillo Barnetta (31) lief 75 Mal für die Schweizer Nationalmannschaft auf und erzielte dabei 10 Tore. Er nahm an drei Weltmeister- und zwei Europameisterschaften teil. In der Bundesliga spielte Barnetta für Bayer Leverkusen, Hannover 96, Eintracht Frankfurt, Schalke 04 sowie in den USA für Philadelphia Union.

Publiziert in der Luzerner Zeitung am 15. April 2017

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