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Vollzeit-Präsident im Dienst der Aktionäre: Stefan Wolf

Sie sind die ersten Fans und sollen daneben kühlen Kopf bewahren. Aber kein Präsident gleicht dem anderen, jeder hat eine eigene Rolle. Eines von drei Portraits über die Präsidententypen: FCL-Präsident Stefan Wolf.

Das Büro von Stefan Wolf ist ein kleines Museum. Hinter seinem Schreibtisch an der Wand hängen Trikots aus jener Zeit, in der Wolf selber noch spielte. Die Shirts der beiden Cupfinals 1992 und 1997, und dann ist da noch eines aus der Neuzeit. Es ist jenes weisse Auswärtstrikot, das der FC Luzern am 24. Mai 2021 im Wankdorf gegen St. Gallen getragen und in dem er zum ersten Mal nach 29 Jahren den «Chöbu» wieder in die Innerschweiz ­geholt hat. Nach dem Triumph folgte die sportliche Talfahrt und für Wolf die ­Erkenntnis: «Ich habe in einem Jahr so viel erlebt wie andere Präsidenten in einigen Jahren nicht.»

Ein gutes Jahr ist es her, dass Wolf nach ­einer 24-jährigen Odyssee zurückgekehrt ist in seine Heimat. Nach der Niederlage im Cupfinal 1997 hatte er sich dem Gegner Sion angeschlossen, spielte später bei Servette und vor allem in St. Gallen. Dort war er Captain und später bis im November 2020 Teil des Verwaltungsrates, bevor er sich verabschiedete, um nur wenig später als Präsident beim FC Luzern wieder aufzutauchen. Er sagt: «Überall, wo ich war, war ich immer der Luzerner. Ich hätte dieses Amt bei keinem anderen Klub gemacht.» Er erzählt davon, wie er schon als Bub vom Luzerner Hinterland in die Allmend gereist sei, Blau-Weiss zugejubelt habe und später besonders stolz gewesen sei, jene Farben zu tragen. Bei seiner Rückkehr nach Luzern wurde der verlorene Wolf auch von den kritischsten Fans mit offenen Armen empfangen. «Ich habe nichts Negatives gehört», sagt er über den ungewöhnlichen Transfer vom St. Galler in den Luzerner Verwaltungs­rat. Bei manch einem Spieler würde ein Wechsel aus der Ost- in die Innerschweiz für grosse Nebengeräusche sorgen.

Als Präsident ist der einstige Innenverteidiger angetreten, um nicht weniger als das neue Gesicht des FC Luzern zu sein. Stefan Wolf weiss: «Die Aktionäre wollten jemanden, der eine Identifikationsfigur an der Spitze des Klubs sein kann.» Vorgänger Philipp Studhalter war früher Ruderer, verstand wenig von Fussball und hatte in seiner gesamten Amtszeit mit ­Gegenwind zu kämpfen. «Das ist bei mir als ehemaligem Spieler anders», sagt Wolf. Der 51-Jährige sieht seine Aufgabe auch darin, die etwas verloren gegangene Nähe zu den Fans wiederherzustellen. Als Wolf selber noch kickte, war beim FC Luzern vieles einfacher. Besammlung und Essen im Restaurant Schützenhaus gleich neben dem Stadion, kurzer Spaziergang, ab in die Kabine, dann das Spiel auf der ­Allmend. Nach der Partie wussten die Fans genau, wo sie auf ihre Helden warten mussten, um noch kurz einen Schwatz zu halten. «Damals waren wir viel näher an den Leuten», erzählt Wolf. Nicht erst seit Corona habe diese Nähe gelitten. Dies spiegelt sich im Stadion wider: In der letzten Vor-Pandemie-Saison fiel der Zuschauerschnitt erstmals seit Eröffnung der Swissporarena unter 10 000.

Das will Wolf ändern. Und so ist der neue Macher an der Spitze des FCL nicht nur häufig hinter seinen beiden grossen Bildschirmen auf der Geschäftsstelle im Bauch des Stadions, sondern ähnlich oft auch an irgend­welchen Anlässen zu ­finden: von Sponsoren, von lokalen FCs, von Gönnervereinigungen oder von Fanklubs. «Unser Ziel muss es sein, die Innerschweiz wieder ins Stadion zu holen. Das darf aber keine Einbahnstrasse sein. Wir möchten nach draussen gehen, Präsenz zeigen, Dinge vermitteln, Fragen beantworten.» In seinem ersten halben Jahr konnte Wolf fast nie unter die Leute. Als es die Pandemie im Sommer und Herbst mehr erlaubte, war er praktisch ­jeden Abend weg. «Bei der Amtsübernahme habe ich meiner Familie gesagt, dass ich nicht mehr so häufig zu Hause sein werde wie früher. Daran habe ich mich gehalten», so der Ehemann und ­Vater zweier Kinder.

Manchmal, wenn er von zu Hause fernbleibt, leitet er auch die Sitzungen des Verwaltungsrates des FC Luzern. In jenem Gremium sitzt mit Josef Bieri ein Aktionär, dazu kommt mit Bruno Affentranger ein enger Vertrauter des Haupt­aktionärs Bernhard Alpstaeg. Bieri und Alpstaeg sind nach dem Aktionärsstreit die einzigen verbliebenen Investoren des FCL, nach weiteren wird gesucht. Im Vergleich zu St. Gallen sei man beim FCL den Aktionären etwas näher. «Ich bin im steten Austausch mit ihnen», sagt Wolf. Obwohl er von den Aktionären eingesetzt wurde und mit ihnen im selben Gremium sitzt, fühle er sich nicht bevormundet. «Ich nehme Josef Bieri im Verwaltungsrat einfach als gewöhnliches Mitglied wahr, bei Bruno Affentranger wurde definiert, dass er nicht nur die Verlängerung Alpstaegs sein soll.» Entscheidungen könne Wolf so treffen, wie er möchte. «Wir müssen nicht bei allem die Aktionäre fragen, sondern informieren sie einfach.»

Der Präsident ist beim FC Luzern ­anders als bei den vergleichbaren Strukturen in St. Gallen auch Geschäftsführer. In der Ostschweiz ist das getrennt. «Ich denke, Matthias Hüppi kann sich rein strategisch mit dem Klub beschäftigen. Ich kann mich zwar ebenfalls auf eine gute Truppe verlassen, bin aber auch operativ tätig.» Mal gehe es um die Finanzen, mal um die Presse, mal um den Sport, mal um die Polizei. «Diese Aufgaben sind sehr ­um­fassend und auch abwechslungsreich», findet Wolf. Diese Abwechslung habe ihn am meisten überrascht, seit er sein Amt angetreten habe. «Kein Tag ist wie der andere. Es gibt immer viel Neues.»

Beim Sport überlasst er seinem Sportchef Remo Meyer freie Hand, auch wenn Wolf Teil der Sportkommission des ­ FC Luzern ist. Die beiden verbindet deutlich mehr als denselben Juniorenklub ­ FC Altbüron-Grossdietwil. Oft diskutieren die beiden Ehemaligen. Wenn Wolf ein Spieler einfällt, der die oft wacklige ­Abwehr stabilisieren könnte, teilt er den Namen Meyer mit. «Doch dann heisst es meistens, dass man den Spieler längst überprüft habe», so Wolf. «Ich mache mir nichts vor: Remo versteht davon deutlich mehr. Es ist echt unglaublich, wie viele Spieler er kennt. Ich masse mir da gar nicht an mitzureden.» Die zuletzt aufflammende Kritik an Meyer kann Wolf nicht nachvoll­ziehen, er nimmt seinen Sportchef in Schutz. Auch in der täglichen ­Zusammenarbeit sieht sich Wolf, der ehemalige Captain, als Teamplayer. «Ich bin keiner, der mit harter Hand führt.»

Den Triumph hat Wolf mit dem Cupsieg im letzten Jahr schon einmal erlebt. Es war der erste Titel für den FCL seit fast 30 Jahren. Nun heisst es, die Blamage und den Gang in die Zweitklassigkeit abzuwenden. «Als Spieler konnte man auf dem Platz reagieren, als Präsident geht das leider nicht», sagt er. «Jetzt geht es ­darum, den Gegenwind auszuhalten und gemeinsam unten rauszufinden.» Geht es nach Stefan Wolf, hängen bald weitere ­Trikots an der Wand in seinem Büro.

Publiziert für das Fussballmagazin Zwölf in der Ausgabe vom 26. Februar.