Die U17-Weltmeister 2009 feiern nach ihrem Triumph in Nigeria. (Bild: Pius Utomi Ekpei/AFP)

Was aus unseren Weltmeistern wurde

Die Schweiz spielt im Sommer 2018 an der Weltmeisterschaft in Russland. Drei Nati-Spieler wissen bereits, wie man Weltmeister wird: Vor acht Jahren gelang ihnen der Triumph mit der U17. Doch nicht alle Weltmeister-Talente sind heute Fussballstars, wie dieser Überblick zeigt.

21 Jungs reisten Ende Oktober 2009 als Nobodys nach Nigeria. Drei Wochen später kamen sie als Helden in die Schweiz zurück. Sie hatten das geholt, wovon ein kleines Land eigentlich nicht einmal zu träumen wagt: den Weltmeistertitel! Bis heute ist es der grösste Erfolg einer Schweizer Mannschaft überhaupt.

Am 15. November 2009 lief die 63. Minute im Finalspiel zwischen Gastgeber Nigeria und der Schweizer U17-Auswahl, als ein damals völlig Unbekannter mit dem Namen Haris Seferovic mit dem Kopf das goldene Tor schoss. Es war der Treffer zum 1:0-Sieg in diesem WM-Final, welches das perfekte Turnier der Equipe krönte.

Doppelbürger und Winnermentalität als Pluspunkt

Möglich machte diesen Triumph ein Schweizer U17-Team, das grosses fussballerisches Talent und eine Winnermentalität besass, wie sie für die Schweiz untypisch sind. Vielleicht auch kein Zufall, hiessen die Stars der Weltmeister nicht Huber, Meier oder Müller, sondern Xhaka, Seferovic und Ben Khalifa. Im 21-Mann-Kader besassen nicht weniger als 14 Spieler neben dem roten auch mindestens einen weiteren Pass. Eine südländische Mentalität mit einer grossen Portion Selbstvertrauen besass die Mannschaft, die mit Dany Ryser den passenden Trainer hatte.

Dass die Mannschaft grosses Selbstvertrauen hatte, zeigte sich schon vor dem Turnier. «Ich packe genug Kleider ein bis zum Final. Ich will Weltmeister werden», sagte Granit Xhaka überzeugt. Eine freche Aussage eines 17-jährigen Fussballers, der noch nie in der Super League zum Einsatz gekommen war. Xhaka und seine U17-Giganten liessen aber Taten folgen. In der Gruppenphase schlug die Schweizer Mannschaft der Reihe nach Mexiko (2:0, Torschütze Kasami und ein Eigentor), Japan (4:3, Seferovic zweimal, Xhaka, Rodriguez) und Brasilien (1:0, Ben Khalifa).

Als Gruppensieger qualifizierte sich das Team für den Achtelfinal, wo mit Deutschland ein harter Brocken warten sollte. In der deutschen Mannschaft: der heutige Barcelona-Torhüter Marc-André ter Stegen, Shkodran Mustafi und Mario Götze, der fünf Jahre später Deutschland zum Weltmeister bei den Grossen schiessen sollte. Doch die Schweizer hatten vor dem Duell keine Angst: «Wir wissen, dass es möglich ist, die Deutschen zu schlagen, und dürfen mit einem gesunden Selbstvertrauen ins Spiel gehen. Wir sind fähig, an diesem Turnier jeden Gegner zu bezwingen», sagte Dany Ryser.

Er sollte recht behalten: Nach Toren von Ricardo Rodriguez und Haris Seferovic konnten die Deutschen zwar jeweils noch ausgleichen, in der Verlängerung hatten die Schweizer Junioren aber den längeren Atem. André Goncalves und Nassim Ben Khalifa trafen für die Schweiz, für Deutschland war nur noch der heutige Wolfsburger Yunus Malli erfolgreich. Mit einem 4:3-Sieg über den grossen Nachbarn stand das Schweizer Team im Viertelfinal.

Ein goldener Jahrgang für die Schweiz?

Erst ab diesem Zeitpunkt merkte man auch in der Schweiz, dass in Nigeria eine Weltmeisterschaft stattfand und dass dort ein Schweizer Team für Furore sorgte. Die Talente erhielten endlich die Aufmerksamkeit, die sie verdienten. Waren die Spiele zuvor nur auf Eurosport zu sehen, strahlte sie plötzlich auch das Schweizer Fernsehen aus. «Wir haben gemerkt, dass wir in der Schweiz etwas ausgelöst hatten», sagte Ryser.

Medial wurden Vergleiche gezogen mit der U17-Auswahl von 2002, als Spieler wie Philippe Senderos und Tranquillo Barnetta die Schweiz zum Europameistertitel geführt hatten. Nachdem die U17-Nati, Ausgabe 2009, auch Italien im Viertelfinal mit 2:1 und Kolumbien im Halbfinal gar mit 4:0 bezwingen konnte, war klar: Diese Mannschaft hat vielleicht sogar noch mehr Talent als jene von 2002. Das bestätigte das Schweizer Team im WM-Final, als es vor 60000 Zuschauern die Nerven behielt und Gastgeber Nigeria – das angeblich einige zu alte Spieler im Kader hatte – mit 1:0 schlagen konnte.

Heute, acht Jahre nach dem grossen Triumph an der Weltmeisterschaft, darf man, wenn es um den Jahrgang 1992 geht, von einem sehr starken, ja vielleicht gar von einem goldenen Jahrgang sprechen. Einige Fussballer sind nämlich tatsächlich zu Stars gereift und bilden heute das Gerüst der Schweizer A-Nationalmannschaft mit einer für die Schweiz so untypischen Mentalität. Sie wollen den WM-Titel am liebsten im nächsten Sommer noch einmal holen. Doch nicht für alle Weltmeister ging es triumphal weiter, einige sind inzwischen von der Bildfläche verschwunden, wie der Überblick über die 21 Spieler im Kader zeigt.

 

 

Benjamin Siegrist

Damals: Aston Villa, Heute: FC Vaduz

Beim WM-Triumph war er der Stammkeeper. Ihm wurde eine so grosse Goalie-Karriere prophezeit, wie sie der damalige Nati-Goalie Diego Benaglio hatte. Doch Siegrist konnte die hohen Erwartungen nicht erfüllen. Nach einer England-Odyssee – eigentlich gehörte er Aston Villa, wurde aber immer wieder ausgeliehen – ist er inzwischen beim FC Vaduz angekommen. Beim Abstieg aus der Super League war er noch Stammkeeper, inzwischen ist er hinter Vaduz-Legende Peter Jehle wieder zweite Wahl.

 

Raphael Spiegel

Damals: Grasshoppers Heute: Boavista Porto FC

Auch die Nummer zwei des Weltmeisterteams zog es auf die Insel. Bei West Ham United konnte sich Spiegel aber nie durchsetzen und wurde an diverse Teams ausgeliehen. Im Sommer folgte dann der Wechsel nach Portugal. Dort hat er zwar die Rückennummer eins, ist aber aktuell nur dritter Torhüter.

 

Joel Kiassumbua

Damals: FC Luzern, Heute: FC Lugano

Der Torhüter aus Emmenbrücke erlebte den Nigeria-Triumph von der Bank aus, er war die Nummer drei des Kaders. Dennoch ist er der erfolgreichste der drei Goalies. Vielleicht auch, weil er als Einziger nie nach England wechselte? Kiassumbua war jahrelang Stammkeeper in Wohlen in der Challenge League, auf diese Saison hin wechselte er nach Lugano in die Super League. Dort startete er zum Saisonbeginn als Ersatzgoalie, erhielt aber in den letzten Spielen den Vorzug gegenüber David Da Costa.

 

Charyl Chappuis

Damals: Grasshoppers, Heute: Muangthong United

In einem Interview während der U17-Weltmeisterschaft sagte Charyl Chappuis, sein Traum sei es, einmal für den FC Barcelona aufzulaufen. Dieser Traum dürfte ihm wohl verwehrt bleiben. Dennoch hat er eine sehr erfolgreiche Karriere – wenn auch eine äusserst ungewöhnliche. Der Doppelbürger wechselte 2012 von den Grasshoppers nach Thailand. Dort wurde er mit Buriam United sogleich thailändischer Meister. Danach spielte Chappuis für Suphanburi FC, von wo er in diesem Sommer zum Spitzenteam Muanghtong United wechselte. In Thailand ist Chappuis ein Superstar. Er spielte auch schon 20-mal für die thailändische A-Nationalmannschaft.

 

Frédéric Veseli

Damals: Manchester City, Heute: FC Empoli

Als Captain und Abwehrchef führte er die U17-Auswahl zum Titel. Kein Wunder wurde ihm eine ähnlich grosse Karriere wie Philippe Senderos zugetraut, der 2002 beim U17-Europameistertitel ebenfalls Captain und Abwehrchef gewesen war. Auf sich aufmerksam machte Veseli in England aber nur, als er von Manchester City zu Manchester United wechselte – bei den Junioren. Durchsetzen konnte er sich auch bei den Red Devils nicht. Nach einer Reise in die englische dritte und vierte Liga landete er im Sommer 2015 beim FC Lugano. Dort erkämpfte er sich endlich einen Platz in der Super League und empfahl sich für einen Transfer in die italienische Serie A. Veseli stieg mit seinem Klub Empoli letzte Saison in die Serie B ab.

 

André Goncalves

Damals: FC Zürich, Heute: FC Schaffhausen

Er galt während der Weltmeisterschaft als talentierter und gleichzeitig beinharter Aussenverteidiger. Im Achtelfinal gegen Deutschland gelang ihm ein wichtiges Tor in der Verlängerung. Seit Jahren ist Goncalves beim FC Schaffhausen in der Challenge League engagiert. Für mehr reichte es beim Schweiz-Portugiesen nicht.

 

Robin Vecchi

Damals: FC Basel, Heute: –

Einige Fussballer sind mit 17 Jahren bereits auf ihrem Höhepunkt angelangt. Zwar zählte er nie zur WM-Startelf, dennoch dachte man, Vecchi könnte sich im Profifussball durchsetzen. Er spielte schliesslich aber nie höher als in der 1. Liga und ist heute nicht mehr aktiv.

 

Sead Hajrovic

Damals: Arsenal, Heute: FC Wohlen

Der Bruder von Izet Hajrovic (Werder Bremen), der in der Abwehr oder im Mittelfeld spielen kann, träumte nach dem Weltmeistertitel von einem Durchbruch in der Premier League, so wie es Philippe Senderos und Johan Djourou bei Arsenal gelungen ist. Die heutige Realität: Challenge League beim FC Wohlen.

 

Janick Kamber

Damals: FC Basel, Heute: Neuchâtel Xamax

Trotz Vorschusslorbeeren nach dem Weltmeistertitel: Beim FC Basel war der Konkurrenzkampf für den Aussenverteidiger und Flügelspieler zu gross. Zu Einsatzminuten in der Super League kam er dafür später bei Lausanne-Sport. Seit diesem Sommer ist Kamber beim ambitionierten Challenge-League-Team Xamax tätig und ist dort Stammspieler.

 

Bruno Martignoni

Damals: FC Locarno/Team Ticino, Heute: FC Chiasso

Der Tessiner war an der WM als Aussenverteidiger gesetzt, schoss im Halbfinal gegen Kolumbien gar ein Tor. Er schnupperte für Aarau und Lugano Spielpraxis in der Super League. Inzwischen spielt er aber in Chiasso in der Challenge League.

 

Ricardo Rodriguez

Damals: FC Zürich, Heute: AC Milan

Der hochtalentierte Aussenverteidiger zählte zu den grossen Entdeckungen der Weltmeisterschaft. Acht Jahre später darf festgehalten werden: Er hat die Erwartungen sogar übertroffen. Anders als andere Spieler des Weltmeisterkaders wechselte er erst dann ins Ausland, als er sich beim FC Zürich durchgesetzt hatte. Rund 10 Millionen Franken bezahlte Wolfsburg, um den Linksfuss in die Bundesliga zu holen. Inzwischen spielt er bei der grossen AC Milan und ist seit Jahren Leistungsträger in der A-Nationalmannschaft.

 

Maik Nakic

Damals: FC Sion, Heute: –

Der einzige Walliser im Kader kam an der WM nicht zum Einsatz. Auch später sollte seine Karriere nicht von Erfolg gekrönt sein, höher als in die 1. Liga reichte es für Nakic nicht. Persönlicher Höhepunkt nach der WM-Goldmedaille: ein 13-minütiger Kurzeinsatz in der Promotion League für Sions U21.

 

Granit Xhaka

Damals: FC Basel, Heute: Arsenal

Von einem Riesentalent war damals 2009 die Rede, als es um den flexibel einsetzbaren Mittelfeldspieler ging. Im WM-Final spielte der Linksfuss auf dem Flügel. Schon damals hatten einige Fussball-Experten prophezeit: «Den Namen Xhaka muss man sich merken.» Und wohl noch selten traf dieser Spruch so zu wie bei Granit Xhaka. Bei Basel machte er sich als zentraler Mittelfeldspieler und Schaltzentrale schnell einen Namen, bei Borussia Mönchengladbach wurde er mit 23 Jahren Captain der Bundesliga-Mannschaft. Heute zieht Xhaka die Fäden in London bei Arsenal und in der Schweizer Nationalmannschaft.

 

Oliver Buff

Damals: FC Zürich, Heute: Real Saragossa

Bei der U17-Weltmeisterschaft spielte Granit Xhaka mehrmals auf der Flügelposition, weil Oliver Buff im Zentrum gesetzt war. Das sagt viel über Buffs Qualitäten aus. Er konnte sich in der Super League beim FC Zürich rasch durchsetzen und wurde Stammspieler. Der nächste Schritt blieb dem talentierten Mittelfeldspieler aber verwehrt. Jahrelang war er Stammspieler beim FC Zürich, blieb den Stadtzürchern auch treu, als sie in die Challenge League abstiegen. Im Sommer verliess er den FCZ aber in Richtung Spanien, wo er in der zweithöchsten Liga spielt.

 

Pajtim Kasami

Damals: Lazio Rom, Heute: FC Sion

Die Karriere von Pajtim Kasami gleicht einer Berg-und-Tal-Fahrt. Er spielte regelmässig bei Fulham, Palermo und Olympiakos Piräus – und wurde so zum A-Nationalspieler für die Schweiz. Für die Euro 2016 wurde er von Nationaltrainer Vladimir Petkovic nicht berücksichtigt – seither war er nie mehr ein Thema für die Nationalmannschaft. Denn zuletzt lief es dem sehr talentierten Mittelfeldspieler nicht mehr ganz so gut. Bei Olympiakos verlor er seinen Platz, wurde an Nottingham in die zweite englische Liga verliehen – wo er in der Rückrunde nur noch auf der Tribüne sass. Seit Sommer ist er zurück in der Schweiz und spielt beim FC Sion.

 

Igor Mijatovic

Damals: Bellinzona/Team Ticino, Heute: –

Insgesamt 81 Minuten lang durfte er für das Fanionteam von Bellinzona in der Super League ran. Das war’s mit Fussball auf der allerhöchsten Stufe. Daran änderte auch ein Wechsel zu FK Drina Zvornik in die bosnische Liga wenig. Aktuell ist er vereinslos.

 

Kofi Nimeley

Damals: FC Basel, Heute: –

Der damalige FCB-Junior spielte im WM-Final genau eine einzige Spielminute. Später sollte es für ihn nie für die Super League reichen. Er spielte zwei Saisons lang beim FC Locarno in der Challenge League, inzwischen hat er seine Profikarriere aber beendet.

 

Matteo Tosetti

Damals: FC Locarno/Team Ticino, Heute: FC Thun

Bei der WM reichte es nur für einen Kurzeinsatz. Es hiess damals, er sei noch nicht kräftig genug. Nach einem Umweg über die Challenge League ist er das inzwischen und schiesst regelmässig Tore in der Super League für den FC Thun.

 

Nassim Ben Khalifa

Damals: Grasshoppers, Heute: FC St. Gallen

Da gab es 2009 keine zwei Meinungen: Nassim Ben Khalifa ist das grösste Talent des Weltmeisterteams überhaupt. Der Stürmer mit tunesischen Wurzeln ist technisch unglaublich versiert, spielintelligent und sehr schnell. Er kam nicht einmal ein Jahr nach dem WM-Titel zum Länderspieldebüt in der A-Nationalmannschaft. Doch die hohen Erwartungen konnte er nicht erfüllen. Inzwischen stürmte Ben Khalifa schon für die Grass­hoppers, Wolfsburg, Nürnberg, Eskisehirspor, Mechelen und Lausanne – mit bescheidenem Erfolg. Aktuell ist er beim FC St. Gallen Edeljoker.

 

Roman Buess

Damals: FC Basel, Heute: FC St. Gallen

Er war damals nicht das grösste Talent im Weltmeister-Kader. Aber er ist fleissig und ein absoluter Kämpfer. Über den Umweg FC Wohlen setzte er sich bei Thun in der Super League durch. Inzwischen ist er bei St. Gallen als Mittelstürmer gesetzt – vor Nassim Ben Khalifa.

 

Haris Seferovic

Damals: Grasshoppers, Heute: Benfica Lissabon

Der Finaltorschütze und Toptorjäger des Schweizer U17-Teams wechselte nach der Weltmeisterschaft von den Grass­hoppers früh zu Fiorentina, wo er sich nicht durchsetzen konnte. Später blühte der Surseer aber bei San Sebastian und bei Eintracht Frankfurt auf. Inzwischen ist er in der Schweizer A-Nationalmannschaft im Sturmzentrum gesetzt und spielt mit Benfica Lissabon bei einer durchaus angesehenen Adresse.

 

Publiziert in der Zentralschweiz am Sonntag am 26. November 2017.

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