Am Rotsee sind Ruderer aus aller Welt dabei. Ein ganz spezieller ist der Kubaner Ángel Fournier Rodríguez. Er zählt zu den Topfavoriten – auch wenn er in den letzten Jahren speziell übernachtete.
Athleten aus aller Welt weilen derzeit am Weltcup in Luzern. Insgesamt sind in diesem Jahr 54 Nationen mit dabei – so viele wie noch nie. Es finden sich etwa ruderexotische Länder wie Benin, Katar oder Aserbaidschan in den Startlisten. Dass auch ein Athlet aus Kuba am Start steht, überrascht aber niemanden mehr. Ángel Fournier Rodríguez zählt inzwischen zu den absoluten Topfahrern, klassierte sich unter anderem bei den Olympischen Spielen im Einer auf dem sechsten Rang.
Doch ein ganz gewöhnlicher Ruderer ist Fournier nicht. Beim 29-jährigen Kubaner ist alles ein bisschen anders. Das zeigt sich etwa darin, dass er, nach dem Rennen beim Ausstiegssteg angekommen, zuerst baden geht. Es ist seine Art der Erholung, während die meisten Athleten auf Physiotherapeuten, ein Eisbad oder Kühlwesten zurückgreifen.
Auch seine Unterkunft während des Weltcups ist aussergewöhnlich. Während seine Kontrahenten jeweils in Hotels in der Innenstadt logieren, übernachtete er in den vergangenen Jahren in einem Zelt direkt beim Rotsee. Nicht finanzielle Gründe seien für diese aussergewöhnliche Wahl entscheidend gewesen: «Ich mag das Zelten einfach», sagt Fournier. In diesem Jahr sei er erstmals anders untergekommen, er wohne zusammen mit seinem Trainer bei einer Schweizer Bekannten. «Es gefällt mir dort. Schweizer sind sowieso immer sehr freundlich.»
Stammt aus der Gefängnisstadt
Fournier lebt in Guantánamo, in der Stadt, die wegen des US-Gefängnisses weltweite Berühmtheit erlangt hat. Ein Umstand, der ihm gar nicht gefällt. Während der Olympischen Spiele in Rio antwortete er auf die Frage, warum ihm Rudern so gefalle: «Da sitze ich allein in meinem Boot, alles liegt in meiner Verantwortung – und bei niemandem sonst. Irgendwann sollen die Leute zurückblicken und sagen: ‹Wow, der Typ aus Guantánamo war der beste Ruderer der Welt.›»
Als 12-Jähriger ist er zu diesem Sport gekommen. Basketball und Baseball haben ihm nicht gefallen. Umso besser entwickelte er sich aus körperlicher Sicht. Angeblich auf einer Pouletfarm aufgewachsen, wurde er zum Modellathleten. Über 100 Kilogramm Kampfgewicht bringt der 1,98-Meter-Mann auf die Waage. Der Erfolgreichste seines Landes ist er schon. Im Oktober an der WM in Florida will er sich zum Besten der Welt küren. Zuerst will er aber auf dem Rotsee siegen. Und er wusste gestern zu überzeugen: Im Vorlauf siegte er, im Viertelfinal belegte er den zweiten Platz. «Es lief ganz gut, ich bin glücklich.» Wenn er lächelt, wirkt er trotz seiner beeindruckenden Statur ganz versöhnlich.