Gegeneinander, nicht miteinander: Roman Röösli (links) und Nico Stahlberg. (Bild: Philipp Schmidli)

Wenn Freunde zu Feinden werden

An der Schweizer Meisterschaft im Rudern treffen im Einer mit dem Neuenkircher Roman Röösli (23) und Weltcupleader Nico Stahlberg (25) zwei gute Kollegen aufeinander. Dank dem Luzerner Europameister Michael Schmid (29) wird das Feld noch hochkarätiger.

Wer am Sonntag das Rennen im offenen Einer auf dem Rotsee gewinnt, darf sich mit gutem Gewissen als bester Einer-Fahrer der Schweiz bezeichnen. Denn so gut besetzt wie in diesem Jahr war das Einer-Feld an der Schweizer Meisterschaft nämlich schon lange nicht mehr. Mit Nico Stahlberg (25) ist der Weltcup-Leader am Start, mit dem Luzerner Michael Schmid (29) der Europameister im leichten Einer, und mit dem Neuenkircher Roman Röösli (23) ein Topfahrer, der sonst im Doppelzweier unterwegs ist. Alle drei haben den Schweizer Meistertitel in dieser Kategorie schon gewonnen: Röös­li 2014, Stahlberg 2013 und 2015 sowie Schmid 2016.

Röösli schiebt die Favoritenrolle von sich. «Nico ist sicher zu favorisieren, weil er schon die ganze Saison im Einer trainiert.» Doch chancenlos sieht er sich nicht: «Ich habe schon mehrmals gegen ihn gewonnen und rechne mir durchaus meine Chancen aus. Einfach so gewinnen lassen werde ich ihn nicht», so Roman Röösli. Auch Stahlberg selber sieht sich in der Favoritenrolle. «Nach den letzten Resultaten im Weltcup befinde ich mich wohl in dieser Position.»

Ungewohnte Gründe führen zum Start

Röösli tritt im Weltcup jeweils im Doppelzweier mit Barnabé Delarze an. Doch da die Schweizer Meisterschaft das Highlight der Vereine ist, wollten beide jeweils für ihren Klub antreten. «Wir hätten im Doppelzweier fahren können, aber so können wir unseren Vereinen etwas zurückgeben.» Delarze fährt im Doppel-Vierer für Lausanne, Röösli steht für den Seeclub Sempach im Einsatz.

Aus einem speziellen Grund wird auch der Leichtgewichts-Europameister Michael Schmid im Einer am Start sein. Eigentlich wäre er im Doppelzweier gestartet – zusammen mit Olympiasieger Mario Gyr. Aber da Gyr auch noch im Achter mitfährt und die Rennen praktisch hintereinander stattfinden, entschied sein Klub, dass er nur im Achter an den Start geht. Dieser Entscheid fiel erst vorgestern, Michael Schmid muss daher in den Einer. «Sicher wäre es toll gewesen, zusammen mit Mario an den Start zu gehen», sagt Schmid. «Aber eigentlich ist es auch so gut für mich. Ich kann das Rennen als Vorbereitung auf den Weltcup nutzen.»

Als Leichtgewicht ist Schmid sicher nicht in der Favoritenrolle. «Im Normalfall muss ein Schwerer schneller sein als ich», sagt er. «Sie haben viel mehr Kraft als ich. Ich kann höchstens auf Fehler von ihnen hoffen.» Das sehen auch seine beiden Kontrahenten so: «Wir müssen ihn als Leichtgewicht eigentlich schlagen», sagt Röösli. «Aber Michi hat schon oft gezeigt, dass er sehr schnell unterwegs ist.»

Sonst auch mal im selben Boot

Eigentlich sind Roman Röösli und Nico Stahlberg sehr gute Freunde, kennen und verstehen sich auch neben dem Wasser ausgezeichnet. Auf dem Wasser sassen sie schon häufig gemeinsam im Boot, wie vor einem Jahr an den Olympischen Spielen, als sie gemeinsam im Doppelvierer an den Start gingen. Nun sind sie also Gegner. «Es ist zwar nicht das erste Mal so, aber es ist natürlich schon sehr speziell», sagt ­Röösli. «Ich will Nico unbedingt besiegen. Aber vor und nach dem Rennen ist diese Rivalität vergessen.» Nico Stahlberg sagt: «Wir fahren auch im Training oft gegeneinander und kennen daher dieses Gefühl.» Aber im Rennen sei es schon spezieller: «Dann ist man auf dem Wasser statt Freund plötzlich Feind.» Trotz des hochklassig besetzten Rennens machen die drei Favoriten keinen Hehl daraus, dass die Schweizer Meisterschaft für sie nicht oberste Priorität hat. «Der Weltcup eine Woche später ist deutlich wichtiger», sagt Nico Stahlberg, der die Schweizer Meisterschaft als gute Trainingseinheit nutzen will.

Roman Röösli wiederum offenbart gar, dass er für die Schweizer Meisterschaft nicht extra im Einer trainiert hätte. Wegen seiner Prüfungen im Studium und denjenigen von seinem Doppel-Zweier-Partner Delarze musste er aber gezwungenermassen im Einer trainieren. «Ich will dieses Rennen aber natürlich gewinnen», so Röösli. Und auch Michael Schmid nutzt das Rennen, um Rhythmus für den Weltcup zu holen. Er sagt: «Das Resultat ist zweitrangig. Wichtig ist für mich eher, dass ein Prozess ersichtlich ist.»

Dennoch: Das Einer-Rennen dürfte attraktiv sein. Wenn es am Sonntag um 13 Uhr um den Schweizer Meistertitel geht, werden die drei Vollgas geben – wer wird jubeln?

Publiziert in der Luzerner Zeitung am 29. Juni 2017. 

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