Zünden erlauben?

Das Abfackeln von pyrotechnischem Material wird in der Schweiz als kriminelle Handlung betrachtet. Modelle aus Norwegen und Österreich – wo Pyros legalisiert wurden – zeigen, wie auch in der Schweiz Kompromisse gemacht werden könnten.

Wurden in den Neunzigern bengalische Feuer noch als südländische Stimmung verehrt, hat sich dieses Bild inzwischen längst geändert. Die öffentliche Wahrnehmung sieht mit Unterstützung gängigster Medien das Abbrennen von Fackeln als eines der grössten Probleme im Schweizer Fussball. Neben Investoren, Punktverlusten, Gerichtsverfahren und Konkursen scheint auch der angebliche «Hooliganismus» in der Chaos-Super-League interessanter als der Sport selbst.

Das Zürcher Derby und die Pyroshow der GC-Supporter in Lausanne sind nur zwei Beispiele für das Abrennen von Feuerwerkskörpern. Während beim Zürcher Derby mit dem Wurf von Petarden die Sicherheit gefährdet wurde und eindeutig eine kriminelle Handlung vorliegt, wurden in Lausanne mit eher ungefährlichen Fackeln keine Menschenleben gefährdet. In der Diskussion müsste eigentlich unterschieden werden zwischen der einfachen Verwendung und dem gewalttätigen Einsetzen von Petarden sowie von gefährlichen Böllern.

Die Fronten zwischen Fans, den Behörden und den Vereinen sind verhärtet. Dies zeigte sich nicht zuletzt auch beim Fahnenverbot beim FC Luzern, welches das Abrennen von pyrotechnischem Material erschweren sollte. Nach heftigen Protesten und einem Stimmungsboykott der FCL-Fans wurde es wieder zurückgezogen.

Legalisierung als Friedensstifter

In Norwegen ist das Abrennen von bengalischem Feuer in der Fankurve selbstverständlich und ganz legal. Bis zu 16 Fackeln werden pro Spiel gezündet – mit einer Genehmigung von Feuerwehr, Polizei, Verein und Verband wohlgemerkt. Mindestens drei Tage vor einer Partie muss ein Antrag bei den Behörden eingereicht werden, in welchem die Anzahl Fackeln, die Orte im Fanblock und die Namen der verantwortlichen Fans angegeben werden. Dabei muss jede Fackel zertifiziert sein, wobei gefährliche Böller und Rauchpulver von vornherein ausgeschlossen werden. Vertreter der Feuerwehr, der Polizei, des Vereins und der Fans führen nach Einreichung des Antrags eine Inspektion im Stadion durch und entscheiden über eine Bewilligung.

Was bürokratisch, sehr aufwendig und daher teuer klingt, hat in den vergangen Jahren dazu beigetragen, die Gräben zwischen Fans, Polizei und Politik zu verkleinern, wenn nicht gar zu bereinigen. Anderweitige Sicherheitskosten wie Polizeieinsätze konnten so gesenkt werden. 2009 wurde das Modell mit der Begründung eingeführt, dass Pyrotechnik im Stadion nicht zu stoppen sei. Durch die Legalisierung kann aber durchgesetzt werden, dass keine illegalen Stoffe ins Stadion kommen. Ausserdem wird beim Abbrennen darauf geachtet, dass ein Sicherheitsabstand eingehalten wird und sich in der Nähe nur feuerfeste Fahnen aufhalten. Auch die Zeitpunkte des Abbrennens sind klar definiert: Vor und nach dem Spiel und in der Pause darf gezündet werden.

Österreichs Tradition

In Österreich ist das neue Pyrotechnikgesetz Anfangs 2010 in Kraft getreten. Offiziell ist sowohl beim vorherigen, als auch beim neuen Gesetz Pyrotechnik verboten. Mit Ausnahmegenehmigungen ist sie aber in beiden Gesetzen erlaubt. Jahrelang wurde allerdings nicht davon Gebrauch gemacht. Bei Gestaltung des neuen Gesetzes sah es lange danach aus, dass die Ausnahmemöglichkeit gestrichen würde. Daraufhin gründeten verschiedene Ultragruppierungen die Initiative «Pyrotechnik ist kein Verbrechen!», welche sich mit dem österreichischen Fussballverband und dem Gesetzgeber auf eine ähnliche Regelung wie in Norwegen einigen konnte.

In unserem östlichen Nachbarland besitzt das Abbrennen von Fackeln beim Sport Tradition. Bei Skirennen und Skispringen wird seit Jahrzehnten gezündet und auch im Fussball werden überdurchschnittlich viele Spiele ins rote Licht getaucht. Die Akzeptanz von Pyros ist daher verhältnismässig hoch. So stiess der Verband in der Öffentlichkeit nicht auf ähnlich grosse Skepsis, wie es in der Schweiz bei einem selben Entscheid zu erwarten wäre.

Gegenüber kurzpass.ch äussert sich der ÖFB positiv über die Gesetzesänderung. Christian Ebenbauer, der im Vorstand zuständig für Recht und Sicherheit ist, sagt: «Der Erfahrungszeitraum ist zwar noch relativ kurz, aber die Statistiken sind bis dato erfreulich. Sowohl behördliche Vergehen (also Anzeigen gegen Personen, die gegen das Pyrotechnikgesetz verstossen haben) als auch Vergehen nach der Verbandsgerichtsbarkeit sind stark zurückgegangen.»

Ebenbauer empfiehlt dem Schweizerischen Fussballverband die Möglichkeit der Ausnahmebewilligungen, verweist aber darauf, dass auf die Sicherheit besonderes Augenmerk zu legen sei. «Sicherheitsvorkehrungen wie Löschmöglichkeiten und Sicherheitsabstände sind unerlässlich.»

Pyrotechnik ist (k)ein Verbrechen!

In Österreich ist eine Bewegung verschiedenster Fangruppen entstanden, die eine Legalisierung forderte. Auch in Deutschland gründete sich mit «Pyrotechnik legalisieren – Emotionen respektieren» eine Initiative, welche nach Diskussionen im Sommer mit einem eigentlich gegenstandslosen Rechtsgutachten vertröstet wurde.

Dass in der Schweiz keine ähnliche Bewegung entstanden ist, kann auf die Ausganslage zurückgeführt werden. In Deutschland besitzt der Fussball einen deutlich höheren Stellenwert – die Stadien sind häufig ausverkauft. Die Fans fürchten durch VIP-Logen-Besucher ersetzt zu werden, wie dies in England bereits geschehen ist. Für ihre Anliegen und ihre Fankultur zu kämpfen scheint ihnen daher in der momentanen Situation wichtiger denn je. Gegensatz dazu ist Österreich: Die Zuschauerzahlen stagniert auf tiefem Niveau – nur knapp über 6000 Zuschauer finden im Schnitt zu den Spielen der Bundesliga. Die Ultras nehmen in der Verbreitung des Fussballfiebers einen grossen Einfluss ein. Einen nicht unwesentlichen Beitrag leisten die Medien – die Berichterstattung ist in unseren Nachbarländer, vor allem in Österreich, weniger einseitig.

Dennoch wird auch bei uns rege gezündet. Warum sich die Ultragruppierungen nicht gemeinsam eine Initiative erarbeiten, ist fraglich. Denn in letzter Zeit wurden die Fangruppierungen in der Schweiz stark gebeutelt. Dies endete zuletzt in Stimmungsboykotte von Luzerner und St. Galler Fans – ohne aber, dass gesamtschweizerisch eine Lösung erarbeitet wurde.

«Vermischung von Pyro-Verwendung und Gewalt sind kontraproduktiv»

FC-Basel-Präsident Bernhard Heusler erklärt gegenüber kurzpass.ch, dass die Begründung, Pyros liessen sich nicht aus den Stadien verbannen, kein Argument für eine Legalisierung ebendieser sei. Allerdings stelle sich die Frage ihm sowieso nicht, die müsse der Gesetzgeber beantworten. «Als Clubverantwortlicher beschäftigt mich primär die undifferenzierte Kriminalisierung der Personen, welche verbotenerweise Pyromaterial verwenden. Die emotional und teilweise unsachlich geführte Debatte und die Vermischung von Pyro-Verwendung und Gewalt sind derzeit für die Sicherheitssituation in den Schweizer Stadien eher kontraproduktiv, denn hilfreich.»

Fraglich ist, ob das Abbrennen bengalischen Feuers auf legale Art und Weise an Reiz verlieren würde. Die Fans würden sich mit der Polizei und den Vereinsführungen verbünden müssen, um Bewilligungen erhalten zu können. Ebenbauer vom ÖFB bestätigt: «Tatsächlich haben wir die Erfahrung gemacht, dass einige wenige Gruppierungen der Ansicht sind, Pyrotechnik sei unter den Sicherheitsauflagen uninteressant und deshalb keine beantragt werden.»

Bernhard Heusler kann sich da keine Probleme vorstellen, er empfinde das Verhältnis zwischen Verein und Fans nicht als unfriedlich. Er sieht das Problem in der Schweiz vielmehr als politische Frage der individuellen Freiheit im Konflikt zwischen Obrigkeit und Fans. In dem jeder Dialog abgelehnt wird, werde bewusst eine Mehrung von Eskalation in Kauf genommen. «So lange aber die Clubs letztlich zur Verantwortung gezogen werden, kann ich hierfür nicht das geringste Verständnis aufbringen.»

Pyro-Legalisierung auch in der Schweiz?

In Österreich und in Norwegen ist der Verband und die Behörden einen grossen Schritt auf die Fans zugegangen. Auch wenn die Probleme nicht von einem auf den anderen Tag verschwinden, ist ein Schritt in die wohl richtigste Richtung in diesen Ländern getan.

In der Schweiz müssen jetzt die Ultras zusammen dem Verband aufzeigen, dass der Wille, Pyros legal abzubrennen, vorhanden ist. Dazu müssen auch die aktuellen Sicherheitsvorgaben einhalten werden. Denn falls die Provokationen auf Seite der Fans weitergeführt werden, wie dies zuletzt der Fall war, wirft dies ein noch schlechteres Bild auf die Fankultur. Die Chance, dass derer Anliegen ernst genommen wird, verkleinert sich dadurch erheblich.

Die Schweizer Ultras können sich ein Vorbild an den Deutschen nehmen. Als die Diskussion um eine mögliche Pyro-Legalisierung in vollem Gange war, verzichteten alle Fans der 1. bis 3. Bundesliga auf das Abrennen von bengalischen Feuers – drei Spieltage lang. Das Versprechen der DFL, Pyros bei Nichtzünden zu legalisieren, wurde zwar nicht eingehalten – doch zeigten die Fans so, wie wichtig ihnen das Anliegen ist. Die Diskussion ist hierbei aber noch längst nicht vom Tisch.

Auf dieses Zeichen der Ultras wird in der Schweiz momentan vergeblich gewartet. Jetzt ist aber die Zeit gekommen, auf den Verband und die Vereine zuzugehen, ansonsten wird die Debatte in eine von ihnen nicht gewünschte Richtung gelenkt.

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