Christian Stofer, Direktor des Schweizer Ruderverbandes, am Rotsee. (Bild Dominik Wunderli)

Stofer: «Unser System trägt Früchte»

An diesem Wochenende steht der Weltcup auf dem Rotsee an. Wie viele Medaillen die Schweizer holen, ist Verbandsdirektor Christian Stofer egal. Wichtiger sei anderes – obwohl die Schweiz zu den Favoriten zählt.

Christian Stofer, am Wochenende findet der Weltcup auf dem Rotsee statt. Welche Chancen haben die Schweizer Athleten?

Unsere Athleten haben gute Chancen. Die Resultate in dieser Saison sind vor allem für ein nacholympisches Jahr sehr gut. Resultatmässig haben sich die Wechsel auf kleinere Boote ausbezahlt.

Sie sprechen es an: Im Vorjahr waren sowohl ein Doppelvierer als auch ein leichter Vierer am Start. In diesem Jahr gibt es derweil vier Topfahrer im Einer (zwei bei den Männern und zwei bei den Frauen), zudem sind zwei Doppelzweier und ein Zweier-ohne am Start. Warum?

Es geht immer darum, Boote zu finden, in denen wir die besten Resultate erzielen können. Momentan sehen wir die Chance zu Topresultaten eher in den kleineren Booten. Bei Mannschaftsbooten ist man immer so schwach wie das schwächste Glied. Als Beispiel: Bei den Frauen ist Jeannine Gmelin im offenen Einer momentan klar am schnellsten. Würde sie in einem Vierer fahren, würde sie durch die langsameren Teamkolleginnen automatisch gebremst. Das heisst aber nicht, dass wir jetzt nur noch in Kleinbooten antreten möchten. Wir analysieren jeweils laufend, welche Bootsklassen vielversprechend sind. Entscheidend als Kriterium ist einzig und allein die Leistung. Es ist gut möglich, dass wir an den Olympischen Spielen 2020 wieder mit Mannschaftsbooten antreten.

Die Strategie geht bisher aber gut auf. Es gab bereits einige Topresul­tate. Warum?

Unser System trägt Früchte. Wir haben vor einigen Jahren das Training des Nationalkaders zentralisiert. Das Elite-Kader trainiert pro Woche fünf Tage in Sarnen, auch Junioren-Nationalathleten sind mehrmals im Monat in Sarnen. Wir können als kleines Land davon profitieren, dass die besten Athleten zusammen trainieren können. Der Spitzensport erfordert, dass der Sport im Zentrum des Lebens eines Athleten steht. Und wir haben vor einigen Jahren entschieden, dass wir keine Kompromisse eingehen möchten. Um international erfolgreich zu sein, muss ein Athlet zu 100 Prozent mitmachen. Sonst sollte man es sein lassen. Im Spitzensport gibt es keine Teilzeitpensen.

Dennoch studieren viele Ruderer.

Das stimmt. Wir müssen auf das Studium im nacholympischen Jahr Rücksicht nehmen. Wenn es aber wieder in Richtung Olympia geht, also 2019 und 2020, werden wir so was nicht mehr akzeptieren können. Schliesslich muss man sehr viel trainieren können, um es nach oben zu schaffen. Und dabei rede ich nicht vom Olympiasieg, sondern davon, sich überhaupt für die Olympischen Spiele zu qualifizieren.

Erfolge gab es auch bei den Frauen: 2013 fuhr keine einzige Frau im Weltcup, nun zählen zu den Favoritinnen mehrere Schweizerinnen. Wie ist das möglich?

Die Entwicklung ist sehr positiv. Noch erfreulicher ist die Tatsache, dass im Juniorenkader 50 Prozent aller Athleten weiblich sind. Wir haben nicht viel geändert im Vergleich zu früher. Damals haben sicher auch einfach die Athletinnen gefehlt. Wir haben darauf verzichtet, einen eigenen Frauentrainer zu installieren, weil wir überzeugt waren, dass wir unsere Athletinnen mit einem gemeinsamen Trainer vorwärtsbringen können. Um zum Erfolg zu kommen, mussten wir auch einmal ein Auge zudrücken. Für die Weltmeisterschaft 2014 wurden Frauen selektioniert, die die formellen Selektionskriterien nicht erfüllt haben. Von den Erfahrungen an einem solchen Wettkampf haben sie bis heute profitiert.

Noch grössere Erfolge gab es bei den Männern. Wie hat sich der Olympiasieg auf die Ruderszene ausgewirkt?

Die Vereine haben mehr Zulauf. Das gilt für den Breitensport und den Nachwuchsleistungssport. Die Erfolge haben auch anderen Ruderern gezeigt, dass sie erfolgreich sein können. Und jetzt, wo der Leichtgewichts-Vierer pausiert, rücken andere Ruderer ins Rampenlicht.

Welche Bedeutung hat das Heim­rennen auf dem Rotsee?

Natürlich ist das Rennen nicht unwichtig. Aber es ist nicht der Medaillenspiegel vom Wochenende der Massstab. Entscheidend ist, dass wir im Hinblick auf 2020 Fortschritte erzielen können.

 

Zur Person: Der Sempacher Christian Stofer (41) ist seit 2008 Direktor des Schweizer Ruderverbandes. Als Aktiver nahm er selber zweimal an den Olympischen Spielen teil (2000 und 2004).

Publiziert in der Luzerner Zeitung am 5. Juli 2017.

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