«Eine innere Anspannung ist immer da»

Innerhalb von zwei Minuten müssen die Luzerner Berufsfeuerwehrleute bei Notfällen im Fahrzeug sein. Zu ihrem Alltag gehört aber noch viel mehr.

Der Pager tönt genau gleich wie die Sirene der Feuerwehr. «Das ist ein Alarm», sagt Sacha Müller, Chef der Berufsfeuerwehr. Die sechs Männer rennen ins Tanklöschfahrzeug, welches unter Blaulicht davonfährt. Das Signal kommt von einer Brandmeldeanlage in einem Hotel in der Luzerner Neustadt. Drei Minuten nach Alarmeingang sind die Feuerwehrmänner vor Ort – ausgerüstet mit Helmen und Atemschutzgeräten. Eine der Hotelangestellten schreit: «Es ist nichts. Es ist nur ein Fehlalarm.» Doch darauf verlassen sich die Profis nicht und überprüfen dies selbst. «Wir haben schon Leute erlebt, die gesagt haben, es sei nichts, und dann war eben doch mehr», spricht Dienstgruppenchef Martin Kaufmann aus Erfahrung. Diesmal ist es aber tatsächlich «nichts». Kaufmann sagt jedoch: «Es ist nie ‹nichts›, irgendeinen Auslöser gibt es immer. Auch wenn es unsere Hilfe manchmal nicht braucht.»

Viele Fehlalarme

Einen Nachmittag lang sind wir mit der Berufsfeuerwehr der Stadt Luzern unterwegs. Im Januar dieses Jahres wurde sie als Ersatz für das Löschpikett der Luzerner Polizei eingeführt (Hier gibts mehr). Sie ist als Ersteinsatzelement dafür zuständig, Brände zu löschen, und bietet bei Bedarf Feuerwehrleute aus dem 300-köpfigen Milizkorps auf.

Die Feuerwehr wird häufig durch Brandmeldeanlagen alarmiert – dies auch wegen anderer Ursachen als ausgebrochenes Feuer. «Jeder zweite Alarm ist ein Fehlalarm», sagt Sacha Müller. Dennoch müsse jeder Fall ernst genommen werden. «Es hat uns geholfen, dass wir in der Anfangsphase einige Meldungen von Brandmeldeanlagen hatten, die eben keine Fehlalarme waren», sagt Martin Kaufmann. «Deshalb ist jedem bewusst, dass wir immer gleich professionell agieren müssen, um im Ernstfall Leben retten zu können.»

24-Stunden-Schichten

Die sechs bis acht Feuerwehrmänner pro Schicht arbeiten von 7 bis 7 Uhr – 24 Stunden am Stück. In dieser Zeit müssen sie immer bereit sein, innerhalb von zwei Minuten im Tanklöschfahrzeug zu sitzen und auszurücken. «Wenn man duschen geht, muss man sich überlegen, wo man die einzelnen Kleidungsstücke hinlegt, damit man möglichst schnell im Fahrzeug sein kann», erklärt Feuerwehrmann Yves Portmann. Das löse in einem schon eine gewisse innere Unruhe aus. «Wirklich tief schlafen kann man in der Nacht nicht. Und wenn der Alarm ertönt, ist man sofort wach und einsatzbereit», so Portmann. Auch die Pausen sind nicht immer gemütlich. Vergangene Woche hätte man an einem Abend zweimal das Abendessen unterbrechen müssen. «Kaum wieder zurück und bereit, um zu essen, mussten wir wieder los. Aber das gehört dazu», so Yves Portmann.

Ähnlich sieht es auch der Dienstgruppenchef Martin Kaufmann. «Eine innere Anspannung ist immer da. Man schläft sicher nicht so wie zu Hause.»

Putzen, warten und schreinern

Und was machen die Feuerwehrleute, wenn es keinen Ernstfall gibt? «Schaffen», sagt Sacha Müller. Dazu zählt etwa die Reinigungstour durchs Feuerwehrgebäude, Schläuche waschen oder Fahrzeuge pflegen und warten. Je nach den Fähigkeiten der Feuerwehrleute stehen handwerkliche Arbeiten oder Büroarbeiten auf dem Plan. So haben die Schreiner etwa eigene Umbauarbeiten im Gebäude vorgenommen. «Es ist gut, dass wir viel selber machen können. Früher musste man dafür immer jemanden kommen lassen», sagt Müller. Es sind alles Arbeiten, die nicht ganz so dringend sind. Wenn die Sirene losgeht, wird schliesslich alles stehen und liegen gelassen.

Jeden Morgen steht zudem der Fitnessraum auf dem Programm. «Wir sind schon fit», sagt etwa Ruedi Brunner. Er ist mit 53 Jahren der älteste der Dienstgruppe. «Ich merke da schon einen Unterschied zu Anfang Jahr», sagt er.

Ebenfalls in diese Zeit fallen Übungen. Der Ernstfall will ja schliesslich erprobt sein. Geübt wird an diesem Nachmittag direkt im Feuerwehrgebäude. «Wir haben auch die Möglichkeiten, etwa bei der Allmend oder der Kehrichtverbrennungsanlage Ibach zu üben», sagt Sacha Müller. Im Ibach könne die ganze Anlage unter Rauch gesetzt und entsprechend realistisch geübt werden. Auch Feuerbekämpfung wird teilweise dort unterrichtet. Zu weit weggehen dürfen die Feuerwehrmänner aber nicht: «Wir müssen im Notfall möglichst schnell am Einsatzort sein.» Jedes Ziel in der Stadt Luzern sollte innert 10 Minuten nach Alarmeingang erreicht sein.

Scheibe als Rauchsimulator

Heute retten die Feuerwehrmänner eine 80 Kilogramm schwere Puppe aus dem Heizungsraum. Übungsanlage ist ein Brand im 1. Untergeschoss. Um den Ernstfall zu simulieren, kleben die Feuerwehrmänner oft die Scheibe an der Atemschutzmaske mit einer Folie ab. Die schlechte Sicht simuliert den Rauch. Diesmal wird stattdessen der Raum abgedunkelt – ohne Wärmebildkamera ist nichts zu erkennen.

Die vier Feuerwehrmänner gehen in einer Reihe in das Untergeschoss. Im Raum funkt der vorderste mit dem Dienstgruppenchef, zwei weitere kümmern sich um die Puppe und montieren ihr ein Notatemschutzgerät. Damit erhält die Puppe oder im Ernstfall das Opfer Luft für 10 Minuten. «Das Gerät muss man möglichst schnell anziehen, da die Person bereits bewusstlos am Boden liegt», erklärt Sacha Müller. Der Vierte ist für das Seil zuständig. Den sogenannten Seilsack hat er beim Betreten des Gebäudes auf dem Rücken und das Seilende am Eingang befestigt. So kann man den Rückweg wieder finden – ohne diese Massnahme wäre man in einem mit Rauch gefüllten Gebäude chancenlos. Der Seilsack wird dort, wo die Person gefunden wird, angebunden – damit der nächste Trupp die Suche wieder aufnehmen kann. Die vier Feuerwehrmänner retten die Puppe nun zackig aus dem Gefahrenbereich ins Erdgeschoss.

Was für einen Laien gut, schnell und sicher aussieht, ist für die Berufsfeuerwehr nicht genug. Dienstgruppenchef Martin Kaufmann bespricht die Leistung wie ein Trainer eines Fussballteams. «Es muss schneller gehen, es ist alles noch zu statisch. Wenn jemand funkt, können sich zwei bereits um die verletzte Person kümmern. Es zählt jede Sekunde.» Schlussendlich bilanziert Kaufmann: «Es war aber im Grossen und Ganzen eine gute Arbeit.» Für den Ernstfall ist die Berufsfeuerwehr also gewappnet – bereit ist sie sowieso immer.

 

Publiziert in der Neuen Luzerner Zeitung am 27. August 2016. 

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