Jeannine Gmelin bejubelt ihren Sieg auf dem Rotsee (Bild: Philipp Schmidli).

Gmelin, die Königin vom Rotsee

Jeannine Gmelin ist die erste Schweizerin überhaupt, die auf dem Rotsee ein Weltcup-Rennen gewinnt. Sie krönt damit eine erstaunliche Gesamtleistung einer Schweizer Equipe, die zu einer richtigen Einheit geworden ist.

Es war beeindruckend, wie Jeannine Gmelin an diesem Wochenende auftrat. Bereits ihre ersten drei Rennen hatte sie dominiert gehabt, im A-Final machte sie genau so weiter. Nach rund 650 Metern drehte sie auf, setzte sich an die Spitze und liess sich von dort nicht mehr verdrängen. Trotz eines fulminanten Schlussspurts der Kanadierin Carling Zeeman reichte es Gmelin relativ deutlich zum Sieg. Ein historischer Erfolg: Es ist der erste Sieg überhaupt einer Schweizerin im Einer auf dem Rotsee.

Als für Jeannine Gmelin bei der Zieltribüne ein Interview-Marathon anstand, strahlte sie durchgehend über das ganze Gesicht. «Hier beim Heimrennen zu gewinnen, ist schon sehr speziell. Es ist einfach toll.» Gmelin hatte es auf dem Rotsee zum ersten Mal überhaupt in den A-Final geschafft. «Es ist umso schöner, dass es diesmal so gut geklappt hat, nachdem ich in den letzten Jahren nicht immer Glück hatte.» Und wie stolz macht sie die Tatsache, dass sie die erste Schweizer Frau überhaupt ist, die auf dem Rotsee gewinnt? «Das ist unglaublich. Diesen Erfolg kann ich wohl erst in ein paar Tagen einordnen.»

Der ganze Fokus auf das eigene Boot

Während des Finalrennens habe sie lange gar nicht gewusst, auf welchem Rang sie lag. «Ich habe mich bewusst nur auf mich und mein Boot konzentriert», so Gmelin. «Das ist auch etwas, was ich in den letzten Jahren gelernt habe. Ich fahre ruhig mein Rennen und lasse mich nicht ablenken.» Jeannine Gmelins Entwicklung ist erstaunlich. Schon bei den Olympischen Spielen in Rio fuhr sie gut, klassierte sich im Einer im fünften Rang. In diesem Jahr vermochte sie diese Leistung sogar noch zu steigern: Sie gewann den Weltcup-Auftakt in Belgrad, fiel danach verletzt aus und gab jetzt auf dem Rotsee ein eindrückliches Comeback. «Dass alles so gut aufgehen würde, konnte man nach der Verletzung sicher nicht erwarten», meinte Gmelin.

Die Finals mit Schweizer Beteiligung fanden alle direkt nacheinander statt. Während sich Gmelin auf den Interview-Marathon begab, war ihr Teamkollege Nico Stahlberg bereits gestartet. Ihr Interesse galt schnell mehr ihrem Landsmann als dem Erzählen von ihrer eigenen Leistung. «Ich leide mit meinen Teamkollegen mit und feuere sie an», so Gmelin. Die Schweizer Equipe sei zu einem richtigen Team geworden. «Der Teamgeist ist wirklich enorm gut. Das ist auch etwas, was unser neuer Trainer Robin Dowell mitgebracht hat.»

Das sah man wenig später, als auch Nico Stahlberg beim Zielsteg angekommen war. Gmelin und Stahlberg gratulierten einander mit einer innigen Umarmung. «Gratuliere dir zum Sieg», sagte Stahlberg. «Dein gelbes Shirt ist also auch nicht schlecht», entgegnete Gmelin. Ein Shirt, das sie wohl auch gewonnen hätte, wäre sie nicht verletzt ausgefallen. Auch so klassierte sich Gmelin in der Gesamtwertung im Frauen-Einer auf dem zweiten Rang. Ihre Ausgangslage im Hinblick auf die Weltmeisterschaft im Oktober in Florida ist gut. «Ich muss an der WM eigentlich nur das Gleiche machen wie hier im Weltcup auch», so Gmelin. «Dann könnte es gut kommen.» Gut kommen: Das wäre im Einer Weltmeisterin werden. Etwas, was noch nie eine Schweizer Frau geschafft hat. Genau, wie nie eine Schweizerin auf dem Rotsee gewonnen hatte – bis gestern.

Publiziert in der Luzerner Zeitung am 10. Juli 2017

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